Johnsons Sturz: Aufatmen in Brüssel, Sorge in Kiew

Der britische Premier Johnson ist über zahllose Skandale und Lügen gestürzt. Für Brüssel verbindet sich damit die Hoffnung auf bessere Beziehungen zum UK, in Kiew überwiegt die Sorge – man verliert einen wichtigen Partner.

Die EU-Kommission wollte zunächst gar nichts sagen. Obwohl sich Johnsons Sturz schon abzeichnete, hieß es gegen Mittag noch “no comment”.

Gesprächiger zeigt sich das Europaparlament. Hier das Statement der Fraktionschefin der Sozialdemokraten, Iratxe Garcia (Hervorhebungen von mir)

“Boris Johnson’s time in office has strained EU-UK relations to an all-time low. His long overdue resignation must mark a turning point. The UK deserves better than this Tory government.
 
“I have a plea to his successor: please stop burning bridges with us, please start building them. The next leader of the Conservative Party will have plenty to learn from the serious damage of Prime Minister Johnson’s irresponsible actions at home and with the EU.

“We remain fully committed to a positive relationship between the EU and the UK and this is what citizens on both sides need and deserve.”

S&D Fraktion im Europaparlament

Große Hoffnungen macht sich T. Reintke von den Grünen:

Boris Johnsons angekündigter Rücktritt bietet die Chance für einen Neustart in den Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien. Der oder die künftige Premierminister*in wird sich anstrengen müssen, um Vertrauen wiederherzustellen. Unsere Hand war immer im Geiste der Freundschaft ausgestreckt. Ich hoffe, dass die Verhandlungen in Zukunft in einer konstruktiven Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens stattfinden. Es gibt viele Herausforderungen, die die EU und das Vereinigt Königreich nur gemeinsam lösen können. Wir können uns niemanden mehr an der Spitze leisten, der/die die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien erneut aufs Spiel setzt, um innenpolitisch zu punkten.

Skeptischer klingt es bei D. McAllister (CDU):

„Der Rücktritt von Boris Johnson hat sich in den letzten Tagen abgezeichnet. Zu viele Skandale und zu wenig Rückhalt in der eigenen Fraktion haben letztendlich zu diesem Schritt geführt. Nach den beispiellosen Ereignissen der letzten 48 Stunden ist der politische Druck auf den noch amtierenden Premierminister zu groß geworden. Die Konservativen werden sich auf dem Parteitag im Oktober neu ausrichten müssen. 

Entscheidend ist, dass das Vereinigte Königreich weiterregiert werden kann. Diese Regierungskrise darf in dieser enorm herausfordernden Zeit nicht zu einem Stillstand des Landes führen. Mit Blick auf die Unterstützung der Ukraine braucht es ein handlungsfähiges Vereinigtes Königreich an unserer Seite. Ein grundlegender Positionswechsel in London hinsichtlich des Protokolls zu Irland und Nordirland ist leider nicht zu erwarten.“ 

Pressemitteilung

In Kiew sieht man Johnsons Sturz mit Unbehagen. Schließlich gilt er als engster Verbündeter von Präsident Selenskyj. Die “Kyiv Post” führt seinen Rücktritt vor allem auf “Druck der Medien” zurück. Sie titelt:

“The UK will continue to back Ukraine’s fight for freedom for as long as it takes”, Boris Johnson Promises in Resignation Speech.

Kyiv Post

Das sagt eigentlich alles. Trotz all der Lügen, die ihm letztlich zum Verhängnis geworden sind, vertraut die Ukraine immer noch in Johnsons Worte…

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