Regelbruch für Sanktionen, Russland schlägt Frankreich – und wer löst Regling ab?

Die Watchlist EUropa vom 04. Mai 2022 –

Sanktionen müssen in der EU einstimmig beschlossen werden. Normalerweise. Doch was ist seit Beginn des Ukraine-Kriegs noch normal? Für das sechste Sanktionspaket gegen Russland, so höre ich in Brüssel, will die EU mit den eigenen Regeln brechen – Einstimmigkeit ist plötzlich kein Thema mehr.

Stattdessen sollen Ungarn und die Slowakei die Möglichkeit bekommen, bis auf Weiteres Öl aus Russland zu beziehen – und so die geplanten europäischen Sanktionen zu unterlaufen. Der Regelbruch zeigt, wie groß die Not in der EU geworden ist – und wie hoch der Druck.

Der slowakische Wirtschaftsminister Richard Sulik sagte, die einzige slowakische Raffinerie könne nicht umgehend von russischem Rohöl auf ein anderes Öl umsteigen. Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto erklärte, sein Land werde nicht für Sanktionen stimmen, “die den Transport von Erdgas oder Öl von Russland nach Ungarn unmöglich machen”. 

Warten auf die EU-Kommission

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Auf der anderen Seite fordert der deutsche Energieminister Robert Habeck, nun endlich ein Ölembargo zu verhängen. Deutschland sei bereit, die anderen EU-Länder müssten folgen, erklärte er am Montag in Brüssel. Und EU-Ratspräsident Charles Michel besteht darauf, “die russische Kriegsmaschinerie zu brechen”.

Nun warten alle auf die Vorschläge der EU-Kommission. Nach Angaben des EU-Außenkommissar Borrells geht es – neben einem Öl-Embargo “light”, das wohl erst zum Jahresende zieht – um weitere russische Banken. Zudem richteten sich die Strafmaßnahmen gegen Verantwortliche für “Desinformation”.

Angst vor Reaktion der Märkte

Der Plan der Kommission soll am Mittwoch veröffentlicht werden. Danach werden die Botschafter der 27 EU-Länder darüber verhandeln. Dabei könnte es noch zu Streit kommen. Denn nicht nur Ungarn und die Slowakei machen sich Sorgen um ihre Energieversorgung. Auch Griechenland, Italien und andere haben Bedenken.

Sie fürchten die Reaktion der Märkte, die seit der Liberalisierung durch die EU zu irrationalen Ausschlägen neigen. Bereits seit Herbst 2021 versuchen viele EU-Staaten – darunter auch Spanien, Frankreich und Polen – die Märkte zu regulieren und einen “Preisdeckel” durchzusetzen.

Doch dabei stoßen sie jedoch auf hinhaltenden Widerstand aus Deutschland, das nun auf das Ölembargo drängt. Die EU geht deshalb zerstritten und reichlich schutzlos in die nächste Krise, die sie mit einem Energieembargo selbst heraufbeschwört…

Siehe auch “Chacun pour soi bei der Energie

Watchlist

Wird die EU aus Mali herausgedrängt? Die Militärjunta hatte am Montagabend angekündigt, die Verteidigungsverträge mit Frankreich aufzukündigen. Ein Junta-Sprecher verwies zur Begründung unter anderem auf Verletzungen des malischen Luftraums durch Frankreich. Auch in einem Schreiben an die UNO beschwerte sich die Junta über “wiederholte Verletzungen” des malischen Luftraums durch “ausländische Flugzeuge, vor allem französische”. Statt mit Frankreich will Mali lieber mit Russland zusammenarbeiten, was auch diverse EU-Missionen in der Region gefährdet…

Was fehlt

Das Rennen um die Nachfolge von ESM-Chef Klaus Regling. Der konservative deutsche Finanzexperte räumt im Herbst seinen Posten beim Euro-Rettungsfonds. Vier Länder – Italien, Luxemburg, die Niederlande und Portugal  – haben Kandidaten ins Rennen geschickt. Die besten Chancen rechnet sich Mario Buti aus. Der Italiener ist Kabinettschef von EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Allerdings braucht er für seine Nominierung die Rückendeckung aus Deutschland. Dass Finanzminister Christian Lindner den Italiener stützt, ist längst nicht sicher…