Ratlose Retter

Kurz vor einem Krisentreffen der Eurogruppe herrscht dicke Luft zwischen der EU und dem IWF. Denn der Streit um die richtige Strategie für Griechenland schwelt weiter. Ohne einen zweiten Schuldenschnitt, so warnt IWF-Chefin Lagarde seit Wochen, kommt Griechenland nicht wieder auf die Beine. Sogar EU-Kommissar Oettinger stimmte ihr am Wochenende zu. Doch Deutschland mauert.

Ein Schuldenschnitt stehe nicht auf der Tagesordnung, bürstete Schäuble die Debatte beim letzten Finanzministertreffen vor einer Woche in Brüssel ab. Denn der würde diesmal die öffentlichen Gläubiger treffen – und Deutschland rund 17,5 Mrd. Euro kosten.

Der deutsche Kassenwart schloss auch eine Aufstockung des laufenden Hilfsprogramms von 130 Mrd. Euro aus. Zwar gab er seinen Widerstand dagegen auf, den Griechen zwei Jahre mehr Zeit bei der Umsetzung der Sparpläne zu geben. Doch die damit verbundenen Kosten in Höhe von 32 Mrd. Euro will Schäuble nicht tragen.

Das Treffen der Eurogruppe ging aus wie das Hornberger Schießen – ergebnislos. Am Dienstag wollen sich die Finanzminister erneut treffen, um die offenen Fragen zu klären. Lagarde hat eigens eine Asienreise abgebrochen, um dabei zu sein. Auch EZB-Chef Draghi  ist alarmiert – er fordert eine rasche Lösung.

Wahrscheinlich wird es aber auch dann noch keine endgültige Lösung geben. Denn Schäuble fordert zusätzliche Kontrollen, bevor er neuen Hilfskrediten an Griechenland zustimmt. Erst Ende November, so heißt es in Brüssel, sei mit grünem Licht zu rechnen.

Vielleicht ist aber auch das noch zu optimistisch. Denn beim IWF sitzt die Verärgerung über die Europäer tief. Griechenland brauche eine „echte Lösung“ für seine Schuldenprobleme, warnte Lagarde zuletzt aus dem fernen Malaysia. Ohne eine schnelle und nachhaltige Schuldenentlastung werde es nicht gehen.

In Berlin wertet man dies als Alarmsignal, dass der IWF aus dem Club der Euroretter aussteigen könnte. Der Währungsfonds sei schon lange auf dem Rückzug, ein Ausstieg sei nur noch eine Frage der Zeit, sagte der CDU-Haushaltspolitiker Willsch dem „Handelsblatt“.

Für die Bundesregierung wäre dies eine Katastrophe. Schließlich war es Berlin, das von Anfang an auf eine Beteiligung des IWF gedrängt hat, zunächst gegen heftigen Widerstand aus Paris und Brüssel. Zudem würde ein Rückzug  der Währungsexperten aus Washington teuer: Bisher trägt der IWF rund ein Drittel der Griechenland-Hilfen. Wenn er ausfällt, müssten Berlin und die anderen noch solventen Euroländer einspringen – oder Athen fallenlassen.

Finanzminister Schäuble will den IWF denn auch unbedingt an Bord behalten – und den Streit vertagen. Offenbar plant der deutsche Kassenwart, sich weiter durchzuwurschteln und nur die Mehrkosten für die nächsten beiden Jahre zu decken. Statt 32 Mrd. wären das „nur“ 13,5 Mrd. Euro, heißt es in Brüssel.

Für Schäuble hätte dies den Vorteil, dass er vor der Bundestagswahl keinen Offenbarungseid leisten und erneut in die Tasche greifen müsste. Doch früher oder später wird die Rechnung präsentiert – und dann wir sich zeigen, ob der Club der Euro-Retter zusammenhält. Bis dahin muss Griechenland weiter um jede Hilfszahlung bangen – und den Gürtel noch enger schnallen.

Das Zittern geht also weiter, für die Griechen wie für ihre ratlosen „Retter“.