Von der Leyen will EU-Recht “mit allen Mitteln” schützen – really?

Polen stellt das EU-Recht offen infrage. Es stehe teilweise im Gegensatz zur polnischen Verfassung, urteilte das höchste Gericht in Warschau. Was nun, droht der Polexit? Kommen Finanzsanktionen? Die EU-Kommission verweigert Auskunft.

Immer wenn es politisch wird, duckt sich die “geopolitische” EU-Kommission weg. So auch angesichts der neuen Machtprobe mit Polen.

Die EU-Behörde hat zwar zwei Statements verschickt, in denen sie den Vorrang des EU-Rechts bekräftigt. Wie üblich sind Zitate von Kommissionschefin von der Leyen dabei (sie drängelt sich immer vor).

Sie sei entschlossen, den Vorrang des Europa-Rechts “mit allen Mitteln” (“all the powers”) zu verteidigen, erklärte die CDU-Politikerin.

Doch was die Kommission konkret zu tun gedenkt, um ihre – durchaus umstrittene – Rechtsauffassung durchzusetzen, wollte sie nicht verraten.

Man müsse das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts erst einmal analysieren und werde zu gegebener Zeit antworten, erklärte von der Leyens Chefsprecher.

Nachfragen zwecklos.

Wie lange die Prüfung dauert? Keine Antwort. Welche Instrumente die EU-Kommission nützen könnte? Keine Antwort. Ob es eine Parallele zum deutschen Fall gebe? Keine Antwort.

Gegen Deutschland läuft ein Vertragsverletzungsverfahren, weil auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Vorbehalte gegen den Vorrang des EU-Rechts hat.

Von der Leyen will sich alle Optionen offen halten und nicht in die Karten blicken lassen, so viel wird immerhin deutlich.

Doch diese Taktik verfolgt sie schon seit zwei Jahren – und der Streit mit Polen ist dadurch nicht besser geworden, ganz im Gegenteil.

Mittlerweile geht es nicht mehr nur um die polnische Justizreform, sondern auch um den “heiligen Gral” EU-Recht – und um viel Geld.

Brüssel hält nämlich Milliarden-Zalhungen an Polen aus dem Corona-Aufbaufonds zurück.

Darf die Kommission das? Wie lange soll das noch weitergehen? Was passiert, wenn Polen zurückschlägt und seine EU-Beitragszahlungen einstellt?

Keine Auskunft.

Keine Transparenz.

Und auch keine Kontrolle.

Das EU-Parlament hat die Kommission schon von Monaten zum Handeln aufgefordert – doch von der Leyen macht: nichts.

Sie hält sich bisher an ein Stillhalteabkommen, das Kanzlerin Merkel im Herbst 2020 mit Polen und Ungarn ausgehandelt hatte.

Ob sich das jetzt ändern wird? Zweifel sind erlaubt…

Siehe auch “Polen stürzt EUropa in VerfassungskriseMehr zum Streit um den Rechtsstaat hier

P.S. Von der Leyen legt das EU-Recht sehr weit aus. “EU-Recht hat Vorrang vor nationalem Recht, einschließlich der Verfassungsbestimmungen”, erklärte sie. Der zweite Halbsatz ist eine neue, gewagte Interpretation. Bisher galt EU-Recht nur für jene Bereiche, für die die Mitgliedsländern Kompetenzen an die Union abgegeben haben. Will von der Leyen die polnische oder deutsche Verfassung außer Kraft setzen?