Abschreckung wirkt nicht mehr
Bei der letzten Kommissionssitzung vor der Weihnachtspause geht es noch einmal um die Demontage des Rechtsstaats in Polen. Die EU-Kommission will die so genannte Nuklearoption ziehen.
Gemeint ist damit der Entzug des Stimmrechts nach Artikel 7 des EU-Vertrags. Hintergrund sind die Justizreformen der nationalkonservativen Regierungspartei PiS in Warschau.
Allerdings hat die „Nuklearoption“ ihre abschreckende Wirkung längst verloren. Die Kommission hatte sie schon vor der Sommerpause angekündigt, dann aber doch nichts unternommen.
Nun hat sich die Regierung in Warschau längst auf alle Fälle eingerichtet. Man halte an der umstrittenen Justizreform fest, heißt es dort. Zudem ist man sich des Vetos aus Budapest sicher.
Ungarn und Polen halten in diesem Streit zusammen. Die Kommission kann zwar auf Rückendeckung aus Deutschland und Frankreich setzen – doch ein Veto reicht, um das Verfahren auszuhebeln.
Es handelt sich also um eine rein symbolische Entscheidung, wenn sie denn kommt. De facto ist die EU-Kommission im Fall Polen machtlos, die „Hüterin der Verträge“ hat viel zu lange gezögert…
Siehe auch „Vom Ankläger zum Komplizen“
WAS FEHLT? Die nächsten Schritte im Brexit-Poker. Nach der Entscheidung der EU-Staaten zum Start der zweiten Verhandlungsphase legt EU-Verhandlungsführer Barnier nun einen Vorschlag für Verhandlungsziele der nächsten Wochen vor. Zunächst geht es um die Übergangsfrist von etwa zwei Jahren.
Siehe auch „Durchbruch! Welcher Durchbruch?“
Peter Nemschak
20. Dezember 2017 @ 13:08
Wie ist die Stimmung in der polnischen Bevölkerung bezüglich der EU? Der Osten ist in seiner Werteskala nur über den Druck des Geldes zu bewegen.
Claus
20. Dezember 2017 @ 11:38
Zum Thema Justizreform in Polen habe ich immer noch nicht verstanden, worin sich das, was Polen jetzt einführt, von dem unterscheidet, was in Deutschland gängige Praxis ist, über die sich hier niemand so richtig aufregt. Die Richter am BVerfG Karlsruhe werden überwiegend per Parteienproporz berufen, die Staatsanwaltschaften sind Weisungsempfänger der Landesjustizminister und blasen auch schon mal gern und öffentlichkeitswirksam 3 Tage vor der Wahl zur fröhlichen Jagd gegen Vertreter ungeliebter Parteien. Viele Richter, die ihre Karriere nicht gern irgendwo in der Provinz beendet sehen wollen, bleiben politisch schön geschmeidig oder urteilen in schwersten Verbrechen mit Kulturrabatt.
Und der Bundesjustizminister feuert den Generalbundesanwalt, weil er ihm politisch querkommt.
Eigentlich könnte Brüssel in obiger Angelegenheit auch mal bei uns vorbeischauen und mit dem Entzug des Stimmrechtes drohen.
Manfred Waltermann
20. Dezember 2017 @ 08:34
Was ist das
für eine „Gemeinschaft“, wenn sie mit Sanktionen – wie Entzug des Stimmrechts – ihre Mitglieder zwingen muss.
Geradezu lächerlich wird es, wenn man weiß, dass durch ein Veto eines anderen Staates die ganze Strafmassnahme zur reinen Schauveranstaltung wird. Der warnende Zeigefinger ist einfach lachhaft, weil wirkungslos!
So kann zwar Frau Merkel mit Herrn Schmidt (CSU) verfahren, aber eine EU-Kommission darf nicht erwaten, dass sie noch ernst genommen wird!