Orban macht den Weg frei, Lagarde macht Druck – und leere Versprechen zu Corona

Die Watchlist EUropa vom 11. Dezember 2020 –

Ungarn und Polen haben den Weg für ein neues Gemeinschaftsbudget und den Corona-Aufbaufonds frei gemacht. Beim letzten EU-Gipfel des Jahres in Brüssel zogen beide Länder ihr Veto gegen das 1,8 Billionen Euro schwere Finanzpaket zurück. Zuvor hatte der deutsche EU-Vorsitz einen Kompromiss vorgelegt, der beiden Ländern entgegen kommt.

Nun könnten die 27 EU-Staaten beginnen, das Sieben-Jahres-Budget umzusetzen und in der Corona-Krise ihre Volkswirtschaften wieder aufzubauen, freute sich Ratspräsident Charles Michel.

Ein Sprecher Michels ergänzte, auch der umstrittene Mechanismus zur Kürzung von EU-Geldern bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit sei einstimmig angenommen worden.

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Um diesen Rechtsstaats-Mechanismus zu verhindern, hatten Ungarn und Polen ein Veto gegen das Finanzpaket eingelegt. Damit brachten sie die EU-Hilfen in Gefahr und zwangen Kanzlerin Merkel, einen Kompromiss auszuarbeiten.

Die Einigung sieht vor, dass es eine Prüfung dieses neuartigen Mechanismus durch den Europäischen Gerichtshof geben soll – und dass die EU-Kommission nicht sofort gegen Rechtsstaats-Sünder vorgeht.

Vielmehr soll die Brüsseler Behörde zunächst die Details des neuen Verfahrens ausarbeiten. Allein dies dürfte einige Monate dauern. Die Prüfung durch den EuGH könnte sogar ein bis zwei Jahre in Anspruch nehmen.

Der neue Rechtsstaats-Mechanismus wird daher wohl nicht vor 2022 umgesetzt werden – und wohl auch erst nach der nächsten Parlamentswahl in Ungarn. Geplant war eigentlich, dass er am 1.1.2021 in Kraft tritt und sofort wirkt.

Kritiker sehen darin ein Zugeständnis an den ungarischen Regierungschef Viktor Orban, der seit Jahren versucht, EU-Maßnahmen gegen seine rechtsnationale Regierung zu verhindern oder auf die lange Bank zu schieben.

Gleichzeitig baut Orban seinen Zugriff auf die Medien und Universitäten immer mehr aus. In Polen hat sich die Regierung größeren Einfluß auf die Justiz gesichert.

Doch diese bereits erfolgten Eingriffe in den Rechtsstaat werden durch den neuen Mechanismus nicht geahndet.

Auch die umstrittene, konservative Familienpolitik Polens oder die rigide Flüchtlingspolitik Ungarns wird nicht tangiert, wie die EU in einer eigens vorbereiteten Erklärung klarstellt.

Stattdessen dürfen sich Ungarn und Polen nun auf einen warmen Geldsegen aus Brüssel freuen. Kaum jemand profitiert mehr vom EU-Budget als diese beiden Länder…

Siehe auch „Mogelpackung Rechtsstaats-Mechanismus“

P.S. Die Details der Einigung waren am Donnerstag übrigens noch nicht bekannt. Kanzlerin Merkel hielt sie unter Verschluß – ob sie Orban noch mehr Zugeständnisse gemacht hat?

Watchlist

Stürzt die Konjunktur noch tiefer ab – und reichen die Stützungsmaßnahmen der EU aus? Darüber wollen die Staats- und Regierungschefs am Freitag bei einem Treffen mit EZB-Chefin Lagarde sprechen. Die Europäische Zentralbank hatte am Donnerstag überraschend ihr Notprogramm zun Ankauf von Anleihen ausgeweitet – es war ein Alarmsignal. Nun dürfte Lagarde Druck auf die EU-Chefs machen, ihrerseits mehr zu tun.

Was fehlt

Der Brexit-Notplan der EU-Kommission. Die Brüsseler Behörde legte ihn am Donnerstag vor, nachdem mehrere EU-Staaten Druck gemacht hatten. Der britische Premier Boris Johnson sagte derweil, es gebe „jetzt eine hohe Wahrscheinlichkeit“, dass die Verhandlungen ohne ein Abkommen endeten. Beide Seiten haben sich für eine Einigung eine letzte Frist bis Sonntag gesetzt. Was danach geschieht, weiß keiner…

Das Letzte

Die EU hat immer noch keinen Plan gegen Corona. Obwohl die Pandemie in Deutschland und Italien schlimmer als erwartet wütet und immer härtere Lockdowns diskutiert werden, brachte es die deutsche „Corona-Präsidentschaft“ nicht zu einer gemeinsamen Strategie. Der EU-Gipfel versprach lediglich eine bessere Zusammenarbeit bei möglichen Lockerungen der Reisebeschränkungen – dabei werden diese Beschränkungen täglich verschärft…