Die Offshore-Lüge
Europa will seine Steueroasen austrocknen, meldet die “Welt”. Die EU-Kommission dringe auf ein gemeinsames Vorgehen. Doch Steuerpolitik ist in der EU Ländersache, Brüssel hat nichts zu melden. Dabei gibt es Handlungsbedarf – und zwar nicht nur in Luxemburg, das nun sein Bankgeheimnis lockern will.
Wesentlich ärgerlicher als im Großherzogtum, das um sein “Geschäftsmodell” fürchtet, ist die Lage in Holland. Die Niederlande verfügen nicht nur über ein paar hübsche Steuerparadiese in der Karibik.
Sie sind auch der Sitz zahlloser Briefkastenfirmen, in denen die Crème de la Crème der deutschen und globalen Wirtschaft (Google & Co.) Steuern spart. Das ist ganz legal, führt aber zu perversen Folgen.
Die Steuervermeidung trifft nämlich nicht nur wohlhabende Länder wie Deutschland, sondern auch bitterarme wie Portugal. Sogar die Euro-“Rettung” wird dabei ad absurdum geführt.
Denn 17 der 20 größten börsennotierten Unternehmen sind aus Portugal ins Steuerparadies Holland geflüchtet. Damit entgehen dem krisengeschüttelten Land dringend benötigte Einnahmen. Kommentar des grünen Finanzexperten S. Giegold:
Die Flucht der portugiesischen Unternehmen zeigt exemplarisch die unerträgliche Ungerechtigkeit, die in Europa waltet. Sparorgien und Steuererhöhungen treffen in Portugal regelmäßig diejenigen, denen der Staat habhaft werden kann: Angestellte mit niedrigen und mittleren Einkommen, Beamte, Rentner, Arbeitslose. Großen Unternehmen und vermögenden Eliten bietet die EU dagegen grenzenlose Möglichkeiten, sich aus der Verantwortung zu stehlen.
In Wahrheit ist es sogar noch schlimmer. Denn die Niederlande sind nicht nur Geberländer der Eurokrise, sondern geben zusammen mit Deutschland und Finnland sogar noch den Ton an.
Und die EU-Kommission schaut tatenlos zu – obwohl sie Mitglied der internationalen Troika ist. Ihr Appell, die Offshore-Zentren zu bekämpfen, ist daher kaum ernst zu nehmen.
In Wahrheit ist es doch so, dass die EU nur dann Steueroasen schließt, wenn diese in eine Schieflage gekommen sind – und die Schließung Anleger aus Ländern wie Russland betrifft. Ich spreche natürlich von Zypern.
Wenn es hingegen um deutsches Kapital geht oder gar um britisches und amerikanisches, tastet man weder das “Geschäftsmodell” an noch macht man Banken dicht. Dies haben Spanien und Irland gezeigt.
Der Fehler liegt im System, mitten in Europa, sogar im engsten Kreis der “Euroretter” – und nicht nur “offshore”! Doch dazu sagen die verantwortlichen Politiker nichts, oder, Herr Dijsselbloem?
Roger Strassburg
12. April 2013 @ 02:22
“Wenn es hingegen um deutsches Kapital geht oder gar um britisches und amerikanisches, tastet man weder das “Geschäftsmodell” an noch macht man Banken dicht.”
Man kann nicht sagen, das man das “Geschäftsmodell” nicht anfasst, wenn es um amerikanisches Kapital geht. Das Vorgehen der USA gegen schweizer Banken spricht eine andere Sprache. Gleiches gilt für die weltweite Besteuerung aller Staatsbürger und das FATCA-Gesetz.
ebo
12. April 2013 @ 08:12
Nun ja, ich spreche von der EU. Die USA sind mit ihren eigenen Leuten natürlich nicht so zimperlich!
Roger Strassburg
12. April 2013 @ 21:10
Guter Punkt.
Andres Müller
10. April 2013 @ 22:09
Der eigentliche Sinn hinter den Offshore Geschäften (der mit Abstand grösste Anteil) besteht darin die Gewinne aus den Export/Import -Geschäften zu kanalisieren.
Aus diesem Grund sind die Eliten so brennend am Handel über die Grenzen interessiert. Entgegen dem Geschäft im Binnenmarkt kann dort eine viel höhere Geldmenge vor Steuern weggeschafft werden. Darauf wird aber wenig eingegangen, stattdessen wird das Augenmerk vor allem auf das Verbergen von Vermögen einiger wohlhabender Bürger gelenkt.
Die kürzlich bekannt gewordene Daten-Festplatte mit den Offshore wurde kaum zufällig an Gerard Ryle vom Gorge Soros finanzierten liberalen Netzwerk “Center for Public Integrity” geschickt. Eigentlich müssten in der Presse alle Alarmglocken klingeln, schon alleine deshalb da Soros seit Jahren um die Dominanz in eben diesem Offshore Geschäft kämpft und heute über beste Beziehungen in der US-Regierung verfügt.
Ralph Metzger
8. April 2013 @ 22:22
“Doch Steuerpolitik ist in der EU Ländersache, Brüssel hat nichts zu melden.”
Das stand in der Überschrift der WELT ? Will uns damit die Welt sagen, wenn wir alle der EU treu ergeben sind, dann löst sich das OFF – Shore – Problem von alleine ? Das darf ja wohl nicht wahr sein. Ich werde immer wütender über die Mainstream – Medien.
So wird es wahrscheinlich der “Michel” lesen, wenn wir erst eine gemeinsame diktatorische EU – Regierung haben, dann kann man auch die Steuersünder fangen.
Ohne mich !
Es gibt neben den etablierten Parteien mittlerweile in Deutschland drei wählbare Alternativen, LINKE, PIRATEN und die ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND. Sucht Euch eine aus !
Beste Grüße Ralph
Johannes
8. April 2013 @ 20:15
Schön, dass hier auf dem Blog endlich das Thema angesprochen wird. Es kann nicht sein, dass Steueroasen ständig nach mehr, deutschen Rettungsmillarden schreien (Luxemburg) aber sich sonst asozial beim Thema Steuern verhalten. Egal ob Luxemburg oder Holland, ich hab die Faxen dicke, in Zypern gibt man ja jetzt sogar uns Deutschen an allem die Schuld, obwohl man selber schuld ist und die letzten 10 Jahre NICHT fremdregiert wurde. Das man Steueroasen leichter schließen kann, wenn diese Geld aus den anderen Euroländern “pressen” wollen und am Boden liegen, ist doch logisch.
ebo
8. April 2013 @ 21:38
@Johannes Mensch, schau dir doch mal die Offshore-Leaks-Geschichten an. Die meisten Steuersünder werden mal wieder wo vermutet? Richtig, in Deutschland! Und wer hat am wenigstens dagegen getan? Richtig, die schwarzgelbe Bundesregierung! Und warum ist sie plötzlich so aktiv? Genau, weil Wahlkampf ist und die SPD Action fordert… Asozial sind nicht etwa immer die anderen, sondern auch unsere geliebten reichen Mitbürger…
eric.carter
8. April 2013 @ 16:09
Seit 2006 kämpft die niederländische NGO Somo (Stichting Onderzoek Multinationale Ondernemingen – Centre for Research on Multinational Corporations) gegen die Steueroase im eigenen Land. Mit teils beträchtlichem Medieninteresse.
Vielleicht ist ja deren Seminar für dich von Interesse:
http://somo.nl/news-en/somo-news/24-april-tax-research-seminar
Oder sie vermitteln dir einen Experten für ein Interview, wenn du mit dem Thema was machen möchtest.
ebo
8. April 2013 @ 21:35
Danke für den Hinweis, schau ich mir mal an.
Zorn
8. April 2013 @ 15:45
Glaubt denn irgendjemand, die Herrscherinnen in NL und GB juckt es, wenn wieder mal diese Steueroasensau auf die Straße getrieben wird? Alles nur zur Volksverdummung. Diese Oasen sind KRONJUWELEN, also Eigentum der Elite. Die haben auch dort ihr Vermögen hin transferiert. Sogar die CDU hatte unter Kohl eine Stiftung in Lichtenstein, schon vergessen?