Nur noch Scheinlösungen

Eine Woche nach dem EU-Gipfel und kurz nach dem Merkel-Seehofer-Drama zur Flüchtlingspolitik wird klar: Die Politik simuliert nur noch Entscheidungen – mit Problemlösung hat das alles nichts mehr zu tun.

Fangen wir mit dem EU-Gipfel an: Eine Woche nach dem angeblichen Merkel-Erfolg erweisen sich alle Beschlüsse zur Flüchtlingspolitik als Fata Morgana. Kein einziges EU-Land möchte ein „geschlossenes Asylzentrum“ errichten, obwohl das „freiwillig“ sein soll.

Auch die „regionalen Ausschiffungsplattformen“ erweisen sich als Hirngespinst. Die Länder in Nordafrika lehnen sie unisono ab, wie SPON meldet. Damit erweist sich auch die „Schließung der Mittelmeerroute“, die Seehofer jetzt fordert, als illusorisch.

Als Luftbuchung haben sich auch Merkels „bilaterale Rücknahme-Abkommen“ erwiesen. Die EU-Kommission gab zwar Geld für Griechenland und Spanien frei, um nachzuhelfen. Doch in der Praxis passiert – nichts.

Gerade erst haben Österreich und Ungarn der Bundesregierung einen Korb gegeben. Italien wird einen Teufel tun und sich von Seehofer ein Abkommen aufschwatzen lassen. An Rom hat sich schon Merkel die Zähne ausgebissen.

Am Donnerstag haben sich auch noch die „Transitzentren“ an der bayerisch-österreichischen Grenze in Wohlgefallen aufgelöst. Dabei hatte die EU-Kommission doch schon in vorauseilendem Gehorsam grünes Licht gegeben

Das zeigt: Auf die EU-Behörde, die als Hüterin der Verträge fungieren soll, ist kein Verlass mehr. Aber auch der Union in Berlin kann man nicht mehr trauen. Merkel und Seehofer schieben sich schon wieder gegenseitig den Schwarzen Peter zu.

All das nun auf die Nationalisten und Populisten zu schieben, wie es etwa die „Süddeutsche“ tut, ist arg vereinfacht. Genauso gut könnte man sagen, dass unsere Eliten durchdrehen, weil sie ihre Macht gefährdet sehen.

Merkel, Juncker & Co. klammern sich an ihre Posten und verbünden sich mit jedem, der ihnen (scheinbar) hilft – ob der nun Seehofer, Kurz oder Orban heißt. Doch Probleme lösen, das tun sie schon lange nicht mehr…

…übrigens auch nicht bei anderen Themen. Bei der Reform der Währungsunion, dem Brexit und dem Verhältnis zu Russland gab es bei und seit dem EU-Gipfel keinerlei Fortschritte – auch hier nur Scheinlösungen!

WATCHLIST

  • Das britisches Kabinett berät auf dem Landsitz Chequers über das weitere Vorgehen beim Brexit. Premierministerin May möchte mit Rücksicht auf die Wirtschaft auf eine weiche Linie einschwenken, doch auch ihre Regierung wackelt…
  • Die USA und China steuern auf einen Handelskrieg zu. Am Freitag treten US-Sonderzölle auf Importe aus China im Wert von 34 Milliarden US-Dollar in Kraft. China will mit gleicher Münze heimzahlen – das könnte ernst werden!

WAS FEHLT

  • Eine Allianz gegen die Handelskrieger aus den USA. China übe Druck aus, beim chinesisch-europäischen Gipfel Mitte Juli in Peking eine starke gemeinsame Erklärung zu verabschieden, berichtet der „Standard“. Doch Brüssel ziert sich…
  • Gute Europäer. „Der Schwarze Peter liegt bei der Sorte von Europafreunden, die sich ihre tatsächlich gehegten Vorbehalte gegenüber einem solidarisch handelnden Europa nicht eingestehen“ – sagt J. Habermas. Noch ein Zitat:

Der Rechtspopulismus verdankt sich in erster Linie der verbreiteten Wahrnehmung der Betroffenen, dass der EU der politische Wille fehlt, handlungsfähig zu werden. (…) Stattdessen versinken die politischen Eliten im Sog eines kleinmütigen, demoskopisch gesteuerten Opportunismus kurzfristiger Machterhaltung.