Nun will die EU sogar mit den Taliban reden

Noch vor wenigen Tagen drohte der EU-Außenbeauftragte Borrell den Taliban mit Isolation, falls diese sich nicht an die westlichen Spielregeln halten sollten. Nun will er plötzlich mit ihnen reden – aus Angst vor Flüchtlingen.

“Die Taliban haben den Krieg gewonnen, also werden wir mit ihnen reden müssen”, sagte Borrell nach einer Videokonferenz der 27 Außenminister. Die EU sei auch bereit, weiter humanitäre Hilfe zu leisten, um die Afghanen zu schützen und eine neue Migrationswelle abzuwenden.

Plötzlich gilt nicht mehr, dass man sich mit Islamisten und Terroristen nicht an einen Tisch setzt. Plötzlich will die EU selbst dann noch für Afghanistan zahlen, wenn die USA endgültig abgezogen sind und die Taliban das Gesetz der Scharia durchgesetzt haben.

Dahinter steckt kein rationales Kalkül und schon gar keine langfristige Strategie – die hat die EU in Afghanistan noch nie gehabt, man war ja nur Juniorpartner der USA und der Nato.

Borrells Worte verraten etwas anderes: Hilflosigkeit und Angst. Hilflosigkeit im Umgang mit einer Lage, die man nicht vorhergesehen hat und die man nicht beherrscht – ohne die Taliban geht nichts mehr.

Und Angst vor einer Flüchtlingswelle, die bald die EU und Deutschland erreichen könnte.

„2015 darf sich nicht wiederholen“: Das hat man sich längst auch in Brüssel geschworen. Damit die Afghanen nicht flüchten, will Borrell ihnen nun helfen.

Außerdem sollen die Nachbarländer Afghanistans unterstützt werden, damit dort Auffanglager und Arbeitsmöglichkeiten entstehen. „Pakistan, Iran und die Türkei werden entscheidend für uns“, erklärte Borrell nach der Krisensitzung.

Sogar mit Russland und China will die EU enger zusammenarbeiten, um einen „Exodus“ Richtung Europa zu verhindern.

Das wird Geld kosten, viel Geld. Es ist der Preis für eine naive und gescheiterte Politik. Doch warum sollen diesen Preis eigentlich nur die EUropäer zahlen – und nicht auch die USA, die für das Debakel verantwortlich sind?

Dies ist die gekürzte Fassung eines Kommentars für die taz. Das Original steht hier. Siehe auch “In der Falle der US-Großmachtpolitik” Mehr zu Afghanistan hier