Nach dem Brexit: EU rules forever?

Fast vier Wochen hat die EU gebraucht, um ihr Verhandlungsmandat für ein Freihandels-Abkommen mit UK fertigzustellen. Die 27 bieten viel, fordern aber (fast) Unmögliches: EU-Regeln sollen weiter gelten, am liebsten forever.

Keine Zölle und möglichst wenig andere (“nicht-tarifäre”) Barrieren: Dieses Ziel soll EU-Verhandlungsführer Michel Barnier erreichen. Der Handel zwischen der Rest-EU und UK soll weiterlaufen, als wenn es nie eine Scheidung gegeben hätte.

So haben es die Europaminister am Dienstag in Brüssel beschlossen.

Das ist ein großes Angebot – doch es hat einen hohen Preis: Für staatliche Beihilfen und Unternehmen, Wettbewerb, Arbeits- und Sozialnormen, Umweltstandards, Klimawandel, relevante Steuerfragen etc. sollen auch künftig EU-Standards gelten.

Wenn möglich, sollen diese Regeln sogar “dynamisch” umgesetzt werden – London soll also Regel-Änderungen und Gesetzes-Novellen aus Brüssel automatisch nachvollziehen. So fordert es das Europaparlament, so strebt es nun auch Barnier an.

Doch das widerspricht dem Grundgedanken des Brexit – dass die Briten wieder Herr im eigenen Hause sind und zumindest bei einigen Regeln und Gesetzen von EU-Standards abweichen. Sonst wäre die Scheidung ja auch nicht der Mühe wert.

“Take back control”, riefen die Brexiters – mit “EU rules forever” ist das nicht vereinbar. Genauso wenig ist der ungehinderte Zugang zum europäischen Binnenmarkt mit Dumping vereinbar. Ein “Singapur an der Themse” kann nicht im EU-Interesse sein.

Doch wer sagt eigentlich, dass die Briten unbegrenzten Handel wollen? Wer sagt, dass sie sich eng an die EU binden wollen? Hier liegt, so fürchte ich, ein Denkfehler vor. Offenbar haben die Europaminister den Brexit immer noch nicht akzeptiert…

Siehe auch “Brexit: Der Graben wir tiefer” und “Was Johnson wirklich will”

P. S. Was macht die EU eigentlich gegen Steuerdumping in Irland, oder Lohndumping in Ungarn? Bisher konnte Brüssel nicht einmal Mindestlöhne und faire Steuersätze durchsetzen…