Merkels einseitige Warnung
Heute die Ukraine, morgen die ganze Welt? Nach dem G20-Gipfel hat Kanzlerin Merkel ungewöhnlich deutliche Worte an Russlands Putin gerichtet. Die drastische Warnung ignoriert allerdings ein paar Fakten.
“Es geht ja nicht nur um die Ukraine. Es geht um Moldawien, es geht um Georgien, wenn es so weiter geht, kann man fragen, muss man bei Serbien fragen, muss man bei den Westbalkanstaaten fragen.”
Das sagte Merkel am Montag in einer viel beachteten Rede in Sydney. Es klingt fast so, als drohe ein Flächenbrand in Europa, wenn die EU Putin in der Ukraine nicht energisch stoppt.
Doch die Faktenlage ist etwas anders. Moldawien, Georgien und Serbien sind traditionell Länder, die Russland nahe stehen. Auch auf dem östlichen Balkan – etwa in Bulgarien – gibt es enge historische Bande.
Das sollte man doch wenigstens erwähnen, wenn man Putin Machtgelüste vorwirft. Auch die (von Deutschland mit angeheizten) Balkankriege, die durch die Uno nicht gedeckte Nato-Bombardierung Serbiens und die völkerrechtswidrige Abspaltung Kosovos gehören dazu.
Natürlich hat Merkel Recht, wenn sie die Politik der Einflusssphären ablehnt. Das heißt aber doch nicht, dass Russland kein Recht mehr hätte, besondere Beziehungen zu europäischen Ländern zu unterhalten.
Und was ist eigentlich mit dem Einfluss, den Deutschland in Serbien ausübt? Merkel hat es offenbar schon vergessen – aber Berlin verhinderte lange die EU-Annäherung, um eigene Daumenschrauben anzulegen.
Zuletzt, im Winter 2013/14, ging es dabei um die serbische Zusammenarbeit mit Kosovo. Dabei ist Kosovo nun wahrlich kein Musterstaat, sondern auf Gedeih und Verderb von den USA abhängig.
Die Amerikaner unterhalten dort sogar eine der größten Militärbasen in Europa, das sagenumwitterte Camp Bondsteel. Aber das scheint Merkel keine Probleme zu bereiten…
photo credit: Wolfgang Wildner via photopin cc
winston
20. November 2014 @ 09:14
Der Deutsche Handelsbilanzüberschuss beträgt 7%/BIP.
BIP Deutschland 2.Q.14: -0.2%; 3.Q 14: 0.1%.
Wunderbar oder ? :-)))))))))))))))))))
Wenn’s nicht so tragisch wäre, könnte man sich kaputtlachen.
Da reicht nur ein kleiner Exporteinbruch und das deutsche BIP kriegt ein Herzinfarkt.
Ich denke allerdings, das Deutsche Handelsbilanzüberschuss wird nächstes die 8% Grenze erreichen.
F und UK haben ein gigantisches Handelsbilanzdefizit und wachsen im Q.3 mehr als Deutschland, UK ziemlich deutlich sowas aber auch.
Nicht auszudenken was passieren würde, wenn diese 2 Volkwirtschaften auch noch Handelsbilanzüberschüsse erwirtschaften. F und UK sind Nr. 2 und Nr. 3 bezüglich Exportüberschuss Deutschlands.
Wartet ab bis die Chinesen auf den Geschmack kommen Einheimische Autoprodukte zu präferieren, dann dürfte es lustig werden, und das werden sie, früher oder später. Auf Seouls Strassen fuhren noch bis 1995 auch nur Japanische Autos rum, heute wurden sie von Kia’s und Hyundai’s ersetzt.
DerDicke
20. November 2014 @ 12:28
Wo kommen die 0,1% Wachstum her?
Antwort: Drogenhandel, Schwarzarbeit und Prostitution.
Wir sind in einer Rezession. Das wird nur noch dadurch vertuscht, dass die Berechnungsgrundlage des BIP permanent verändert wird.
http://www.rottmeyer.de/neu-im-bip-schmuggel-drogen-schattenwirtschaft/
Hannes66
19. November 2014 @ 16:38
Warum sich Importländer wehren werden? Das ist doch keine Frage, wer nur gegen Schulden einkauft und diese Schulden wieder los werden will, der muss Produkte herstellen, die er tauschen kann gegen die deutschen Produkte.
Im Augenblick werden aber diese deutschen Produkte lediglich mit Schuldscheinen getauscht. Warum, weil Deutschland höchste Qualität zu niedrigsten Preisen (auf Kosten der eigenen Arbeitnehmer) herstellt, daher die Überschüsse. Das geht aber nicht unbegrenzt, wie man anhand der Probleme der Eurosüdländer sehen kann, die Verschuldung der Importländer steigt irgendwann ins nicht mehr tragbare, ohne dass sich diese Länder wehren können, Abwertung geht nicht, da gleiche Währung und innere Abwertung (sogenannte Strukturreformen) führt zu Zuständen, die sich die Bevölkerung nicht lange gefallen lässt.
Dass man bei uns über die Proteste in Portugal, Spanien, Italien und Griechenland nur wenig informiert wird, ändert nichts daran, dass es in diesen Ländern hörbar knirscht, irgendwann kommt dann die Decke runter, entweder in Form von Grillos Euroaustrittsforderung oder Marine Le Pen oder Sezessionsbestrebungen wie in Spanien.
Die Länder mit eigenen Währungen werden, um sich zu entschulden gar nichts anderes machen können, als deutsche Waren teuerer werden zu lassen,egal ob durch Zölle oder durch Abwertung (siehe Rubelschwäche),
Peter Nemschak
19. November 2014 @ 18:02
Sie haben die Antwort gegeben: die Länder im Süden haben Wettbewerbsprobleme und leiden daher unter Exportschwäche. Im Verhältnis zu den Preisen, die sie am Markt durchsetzen können, sind ihre Kosten zu hoch.
DerDicke
19. November 2014 @ 20:20
Sie meinen also: Pech gehabt, da sie gegen Deutschland in einer Währungsunion nicht bestehen können sollen sie eben erst verarmen und dann verhungern? Im Gegensatz zu unserer Produktivität bei gleichzeitigen (relativen) Dumpinglöhnen sind ihre Kosten IMMER zu hoch, sollten sie auch nur im entferntesten aufschliessen würde Deutschland so lange Sozial- und Lohnkosten weiterdrücken bis das Verhältnis wieder “passt”. Das widerspricht übrigens dem Grundgesetz, die Politik ist auch verpflichtet auf ein Außenwirtschaftliches Gleichgewicht hinzuarbeiten: http://de.wikipedia.org/wiki/Magisches_Viereck
Im Außenhandel hat die EU übrigens einen Überschuss, was langfristig zu einer Euro-Aufwertung führen muss, da sich der Wechselkurs (falls er sich frei entwickeln kann) immer in Richtung eines Außenhandelsgleichgewichtes streben wird.
Tim
19. November 2014 @ 22:42
@ Hannes66
Leute, bitte tut mir den Gefallen und informiert Euch, bevor Ihr Euch eine Meinung bildet.
Das Lohnniveau in der deutschen Exportindustrie liegt weit über dem europäischen Durchschnitt. Wir haben hier oft genug über die Strukturänderungen in der deutschen Exportindustrie in den letzten 25 Jahren gesprochen. Deutsche Industrieunternehmen sind international so stark, weil sie eine brillante Mischkalkulation fahren. Teure Entwicklung hierzulande, günstige Produktion in Osteuropa und zunehmend anderswo. Eben das, was Frankreich verschlafen hat.
Übrigens: “Niedrigste Preise” zeichnet die deutsche Exportwirtschaft nun wirklich nicht aus, ganz im Gegenteil. 🙂
Auch Deutschland wird in den nächsten Jahren aber große Probleme bekommen, und zwar aus China. Qualitativ hochwertige und individuelle Fertigung wird nicht das Exklusivrecht des deutschen Mittelstands bleiben. Wer sich nicht am Weltmarkt orientiert, wird an Wohlstand verlieren. Diese Kindergartendiskussion in Europa, wo jeder Deutschland für den Nabel der Welt hält und seine eigenen Probleme darauf projiziert, ist unfaßbar ignorant angesichts der Herausforderungen.
DerDicke
20. November 2014 @ 01:17
Informiere dich bitte selbst.
Es kommt nicht darauf an, ob die Exportindustrie Spitzenlöhne zahlt. Tut sie nebenbei auch nicht mehr, auch dort wird vermehrt auf Leiharbeiter und Werksverträge gesetzt und versucht, die Stammbelegschaft auszudünnen.
Es kommt auf das gesamte Lohnniveau an. Am hilfreichsten ist hier das Medianeinkommen, da das Durchschnittseinkommen zu verzerrt ist.
Und da liegt Deutschland weit unter seinen Möglichkeiten, was ohne Währungsunion keine Rolle spielen würde, da die Währung aufwerden könnte (Quelle: http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/submitViewTableAction.do?dvsc=9 ). Und “niedrige Preise” sind es, da der Euro für Deutschland eher bei 1,60 oder 1,70 stehen müsste. Einfach im Geist so lange aufwerten bis der Außenhandelsüberschuss — null,null — Euro beträgt, besser noch ein Defizit damit die anderen Länder ihre Schulden bei uns abbezahlen könnten. Das ist nämlich DE FACTO unmöglich so lange wir einen Außenhandelsüberschuss mit diesen Ländern fahren, die MÜSSEN sich permanent weiter verschulden um das bezahlen zu können. Leider kapieren das die Neoliberalen partout nicht. Wir liefern denen die Waren letztendlich KOSTENLOS, da nach dem Schuldenschnitt DIE BEVÖLKERUNG DER ÜBERSCHUSSLÄNDER für die Schulden aufkommen muss. Die Exportunternehmen bekommen also ihren Bailout definitiv von den Steuerzahlern der Überschussländer. Oder von den Versicherungen wenn die “sicheren” Staatanleihen plötzlich mit einem Zehntel des Kaufpreises in den Büchern stehen.
Lohndumping:
Auch die Putzfrau, die für 3,50 die Stunde als Sub-Sub-Subunternehmerin bei Siemens putzt ist Lohndumping.
Der Professor und der Lehrer, der die neuen “High-Performer” (Unwort) für – relativ gesehen – ein Ei und ein Butterbrot ausbilden.
Der U-Bahnfahrer und der Müllmann, die beide Aufstocken müssen um zu überleben (da sollte einfach so lange keiner mehr arbeiten bis man von der Arbeit auch leben kann).
Die ganzen Angestellten im Gesundheitssystem und im Einzelhandel, die sich für einen Hungerlohn zu den unmöglichsten Zeiten den Arsch auffreißen dürfen. Die behandeln und bedienen auch die gutverdienenden Angestellten der Exportunternehmen.
Peter Nemschak
19. November 2014 @ 16:02
@Hannes66 Warum sollen sich die Importeure wehren? Sie brauchen bloß im eigenen Land Bedingungen herstellen, welche Exporte wettbewerbsfähig machen. Es gab in den letzten 15 Jahren sehr wohl reale Lohnsteigerungen, nur waren sie ungleich verteilt.