Drei Tricks im Flüchtlingsstreit
Kanzlerin Merkel versucht, den Druck auf die EU-“Partner” zu erhöhen, um ihre umstrittene Flüchtlingspolitik doch noch zu retten. Dabei wendet sie offenbar mehrere Tricks an.
Trick eins: finanzieller Druck. Wie SPON meldet, droht Merkel damit, die 3 Mrd. Euro für die Türkei aus einer Reserve des EU-Budgets zu nehmen. Die Leidtragenden wären die Osteuropäer, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen.
Trick zwei: Die Kanzlerin behauptet plötzlich, alle 28 hätten EU-Kontingenten für Flüchtlinge längst zugestimmt – und zwar im so genannten “Resettlement”-Programm. Dass einige dagegen klagen wollen, spiele keine Rolle.
Trick drei: Merkel spielt über Bande. Nicht sie, sondern die Türkei und Griechenland sollen festlegen, wieviele “legale” Flüchtlinge künftig nach Europa kommen dürfen. So behält sie eine saubere Weste.
Das Ziel bleibt dasselbe: Merkel möchte ein dauerhaftes System der Umverteilung von Flüchtlingen in der EU installieren und den Zustrom begrenzen. Es ist vielleicht ihre letzte Chance… – Mehr zu Merkels Endspiel hier
Peter Nemschak
27. November 2015 @ 21:20
Die Osteuropäer hat die Geschichte eingeholt. Nach dem Ersten Weltkrieg waren sie nach kurzem demokratischen Zwischenspiel durchwegs autoritäre oder faschistische Staaten als Bollwerk gegen die kommunistische Sowjetunion, nach dem Zweiten Weltkrieg 45 Jahre lang kommunistisch. Es fehlt eine liberale Tradition wie in West- und Nordeuropa. Das Ergebnis sehen wir in Ungarn und seit kurzem in Polen. Die EU ist nach wie vor eine Wertegemeinschaft, nur auf Grund der Diversität und unterschiedlichen historischen Erfahrungen ihrer Mitglieder eine Wertegemeinschaft mit einer breiten Standardabweichung um den Mittelwert. Dieser wird nach der Migration der Flüchtlinge noch breiter werden.
ebo
27. November 2015 @ 21:27
Sie werden lachen, aber ich habe Verständnis für die Osteuropäer. Sie haben einfach ein traditionelles Verständnis von staatlicher Souveränität. Die Versuche, Quoten und Kontingente für illegale eingewanderte Flüchtlinge einzuführen, widersprechen diesem Verständnis, übrigens nicht nur in Osteuropa, sondern auch in den USA, Australien etc. Hinzu kommt, dass die meisten Zuwanderer ohnehin nach Deutschland wollen und nur mit Gewalt dazu gezwungen werden könnten, nach Warschau oder Riga zu gehen. Beide Aspekte kommen mit in der deutsch-österreichischen Sicht zu kurz. Merkel spielt zudem falsch, indem sie durch die türkische Hintertür EU-Kontingente einführen will. Es gibt nämlich keine EU-Kontingente, das geben die Beschlüsse nicht her…
Peter Nemschak
27. November 2015 @ 21:45
Über die Taktik von Merkel lässt sich streiten. Kontingente wären sinnvoll als Ausdruck einer gemeinsamen Obergrenze, im Interesse der Migranten aber auch der einheimischen Bevölkerungen. Wenn man nichts bewegen sondern bloß kommentieren muss, hat man es sicher leichter als sie. Nur: mit dem Konzept der staatlichen Souveränität, wie es, nicht nur, aber auch von den Osteuropäern verstanden wird, kommen wir nicht weiter in Richtung eines vereinten Europa. Ein europäischer föderaler Bundesstaat – eine selbstbewusste Weltmacht Europa – wäre eine reizvolles Ziel, wahrscheinlich illusorisch auf Grund der großen Diversität der Mitglieder, zumindest in dieser Generation. Da hat es die kleine Schweiz mit ihren Sprachgruppen leichter. Schwer vorstellbar, dass der Tessin an Italien und die Westschweiz an Frankreich angeschlossen werden möchten.
Claus
28. November 2015 @ 13:50
@ Peter Nemschak: Die Diskussion der illegalen Immigration n i c h t permanent im luftleeren Raum oberhalb der Köpfe des Souveräns zu führen, wäre die Aufgabe einer verantwortlich handelnden Politik in einer Demokratie, die ihren Namen verdient, und hier hat Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern erheblichen Nachholbedarf. Dazu gehörte auch die Frage zu stellen, ob die Mehrheit der „einheimischen Bevölkerung“ überhaupt „das schaffen will“, was Frau Merkel gerade unter weltweitem Gespött und Unverständnis rechtswidrig, mit all den elementaren, irreversiblen Umwälzungen und Risiken für Deutschland, herbei halluziniert. Warum ist dies alles als eine Art schicksalshafte Fügung zu sehen? Was befähigt Länder wie z.B. USA und Australien, Wohlstandsmigration vor ihren Grenzen abzuwehren? Etwa Fremdenhass? Und, hinsichtlich der EU-Argumentation mit „gemeinsamen europäischen Kontingenten und Obergrenzen“: Findet die total aus dem Ruder gelaufene Idee eines zentralistisch regierten „Großeuropas“, mit Verlust staatlicher Souveränität, einer permanenten Krise namens Euro und mit Deutschland als stillem Hegemon überhaupt noch Mehrheiten in Europa? D i e s sind Fragen, die zu stellen sind, und nicht, wie sich “Kontingente” irgendwie “sinnvoll” auf Europa verteilen lassen!