Merkel bleibt, May geht – Ist in 20 Jahren Schluß?
Es hätte ein Karrieresprung sein können. In Brüssel hatten viele darauf gehofft. Doch nun hat Kanzlerin Angela Merkel klargestellt, dass sie nicht das Amt der EU-Ratspräsidentin anstrebt, sondern in Berlin bleiben will. Sie bevorzugt den Status Quo, wie immer.
Seit drei Jahren schon, seit dem Brexit-Referendum 2016, klammert sich Merkel an die bestehenden europäischen Verhältnisse. Der Italiener Matteo Renzi wollte einen Neustart, Frankreichs Emmanuel Macron auch, jetzt verspricht sogar ihr eigener Spitzenkandidat Manfred Weber einen Neubeginn.
Doch Merkel bleibt ganz die Alte. Sie will nichts ändern, schon gar nicht ihren eigenen Job. Wie sie das sagt, macht deutlich, dass sie innerlich schon abgeschlossen hat – mit der CDU, aber auch mit Europa. Es geht ihr nur noch darum, bis 2021 durchzuhalten, bis dahin hat Deutschland Vorrang.
“Ansonsten gilt das, was ich im Zusammenhang mit meinem Abschied vom Parteivorsitz und meiner Entscheidung, 2021 nicht wieder anzutreten, gesagt habe. Nämlich, dass ich für kein weiteres politisches Amt, egal wo es ist, auch nicht in Europa, zur Verfügung stehe.”
Klar, sie sagt auch, “dass es richtig ist, dass ich als deutsche Bundeskanzlerin meine Bemühungen um ein gutes, funktionsfähiges Europa eher verstärke als nicht, angesichts der Situation, die wir haben und auch angesichts der Polarisierung”. Aber was heißt das schon?
Den Laden zusammenhalten will sie, retten, was ist. Doch das reicht schon lange nicht mehr. Wie ernst die Lage ist, zeigt ein Blick nach London, wo Premierministerin Theresa May am selben Tag erklärt, dass sie den Rückzug antritt. Und wo ihr ärgster Rivale Boris Johnson schon mit den Füssen scharrt.
Damit steigt die Aussicht, dass Großbritannien vor der Brexit-Deadline am 31. Oktober einen neuen, radikalen Premier bekommen wird. Einen, der anders mit Merkel und den Ihren umspringen wird als May, und der auch vor einem harten Schnitt nicht zurückschrecken dürfte.
Es wird ein heißer Herbst. Merkel bleibt, May geht, es passt alles nicht mehr zusammen und es soll doch alles bleiben wie es ist…
Siehe auch “Der verhinderte Neustart” (E-Book)
Watchlist
- Kommt jetzt die Internationale der Nationalisten? Der italienische Lega-Chef Matteo Salvini hat für Samstag eine Großkundgebung in Mailand angekündigt. Erwartet werden auch AfD-Chef Jörg Meuthen und die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen. Bisher haben sie sich weder durch enge Zusammenarbeit noch durch europapolitische Ideen hervorgetan. Es ging immer nur gegen die EU und die Eliten… – Mehr hier
Was fehlt
- Das Ende der EU. In 10 bis 20 Jahren könnte es so weit sein, meint angeblich eine Mehrheit der Europäer. Dies hat der European Council on Foreign Relations herausgefunden, präsentiert das Ergebnis aber ganz anders: “Seven days to save the Union”, heißt es dort. Offenbar soll die Umfrage dazu herhalten, den Wählern vor der Europawahl einen kräftigen Schrecken einzujagen. So richtig seriös ist das nicht, oder?
Siehe auch “Das Ende der EU… wie wir sie kennen” (E-Book)
Claus
17. Mai 2019 @ 08:59
„ . . . meine Bemühungen um ein gutes, funktionsfähiges Europa eher verstärke als nicht, angesichts der Situation . . . .,“
Meine Güte, ich halte es nicht mehr aus! Über dieses abgründige Sprachgemetzel kann sich eigentlich nur Putin freuen, ist er doch bei einem „guten, funktionsfähigen Europa“ geographisch mit von der Partie.
Fröhlich-ideologisches „Framing“ einer Organisation namens „EU“ mit dem geographischen Wohlfühl-Begriff „Europa“, wie es den Bürger in diesen Tagen allerorts von EU-Wahlplakaten anekelnd entgegenspringt.
„Nämlich, dass ich für kein weiteres politisches Amt, egal wo es ist, auch nicht in Europa, zur Verfügung stehe.” Egal wo es ist, auch nicht in Europa (!?) Merkels Redenschreiber gehört auf der Stelle gefeuert!
ebo
17. Mai 2019 @ 09:17
Stimmt, besonders eloquent das “eher verstärke als nicht”. “Eher als nicht”, darauf muss man erst einmal kommen!