Machtkampf in Russland: Das seltsame Schweigen der EU
Was sagt die EU zum Machtkampf in Russland? So gut wie nichts – was ungewöhnlich und durchaus seltsam ist.
Die Europäische Union ist normalerweise nicht um Worte verlegen, wenn es um die Wagner-Gruppe und ihren Boss Jewgeni Prigoschin geht.
Im April wurde die Söldnertruppe auf die EU-Sanktionsliste gesetzt; die Außenminister verurteilen regelmäßig Übergriffe der „Wagnerianer“ in Mali und Libyen.
Doch als Prigoschin den Putsch in Russland versuchte, hat es der EU die Sprache verschlagen.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte sich gar nicht. Dabei will sie sonst immer die erste sein.
Ratspräsident Charles Michel, der die EU-Gipfel organisiert, erklärte: „Wir beobachten die Lage genau“. Er sei mit den Staats- und Regierungschefs der EU und der G7 im Gespräch – doch „dies ist eindeutig eine innere Angelegenheit Russlands.“
Der EU-Außenvertreter Josep Borrell aktivierte das EU-Krisenreaktionszentrum.
Zur Sache wollte sich jedoch niemand in Brüssel äußern. Das ist ungewöhnlich und durchaus seltsam. Schließlich hätte ein Bürgerkrieg in Russland massive Auswirkungen auf die Sicherheit in ganz EUropa – weit über die Ukraine hinaus.
Zudem behaupten die US-Dienste, von Prigoschins Plänen gewußt zu haben. Wurden diese (angeblichen) Erkenntnisse nicht geteilt?
Oder haben unsere Politiker und Diplomaten insgeheim auf einen erfolgreichen Putsch gehofft, wollten ihre Absichten aber verschleiern?
Im Europaparlament gab es schon mehrere Veranstaltungen, bei denen die “Dekolonisierung Russlands” und der Sturz Putins gefordert wurde…
Siehe auch “Machtkampf in Russland” und Open thread zum Machtkampf in Russland (News & Kommentare)
P.S. Laut “New York Times” haben die USA geschwiegen, weil sie nicht verdächtigt werden wollten, einen “Coup” in Russland zu unterstützen. Das kann man so oder so interpretieren…
KK
25. Juni 2023 @ 18:20
“Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte sich gar nicht.”
DAS ist mal eine gute Nachricht aus Brüssel.
“Zudem behaupten die US-Dienste, von Prigoschins Plänen gewußt zu haben. Wurden diese (angeblichen) Erkenntnisse nicht geteilt?”
Auch wenn ich mich wiederholen sollte: Die Wagner-Truppe ist eine Söldner-Truppe, die sich an den meisstbietenden verkauft. Wer hätte denn noch mehr Geld als Russland?
Hekla
25. Juni 2023 @ 17:52
Da gebe ich KK recht, das ist wirklich eine gute Nachricht. In komplexeren Situationen, besonders in Zusammenhang mit Russland, haben sich bisher alle EU-Repräsentanten fast ausnahmslos nur eskalierend oder für die EU grossen Schaden anrichtend geäussert. Da bin ich dankbar, dass hier mal nicht unbedacht= haltungspolitisch herumgeplappert wurde. Es wäre eine politische Katastrophe, wenn Äusserungen von ihnen als weitere regime-change-Träumereien aufgefasst werden würden..
Oder es hat sich ein mutiger Praktikant in Brüssel gefunden, der ihnen zugeflüstert hat, dass ein destabilisiertes Russland schneller das Ende unserer Zivilisation bewirken könnte, als ein halbwegs stabiles Putin-Russland. Da würde man jetzt schlecht sagen können, dass man letzlich erleichtert ist, dass Putin scheinbar weiter fest im Sattel sitzt.