“Lügen” mit System
Nun soll es doch weitere Hilfen für Griechenland geben, sagte Finanzminister Schäuble auf einer Wahlkampfveranstaltung. Ex-Kanzler Schröder (SPD) warf der Bundesregierung ob der plötzlichen Kehrtwende eine “ganz große Lüge” vor. Es ist nicht die erste – das Flunkern und Vertuschen hat in Berlin System.
Beispiel Griechenland: Bereits Ende letzten Jahres machte die Eurogruppe klar, dass Athen einen neuen Schuldenschnitt brauchen wird. Kanzlerin Merkel und Schäuble spielten das herunter, schoben es weg.
Nun, da sich die Realität nicht mehr leugnen lässt (sogar die “Bild”-Zeitung hatte die Regierungs-Lüge enttarnt) versucht Schäuble, die Hilfen zum Nulltarif zu veranschlagen. Ein Schuldenschnitt käme Berlin nämlich ziemlich teuer.
Die nächsten Hilfen sollen nun aus dem EU-Budget kommen, meldet die “Süddeutsche” aus Berlin – offenbar wurde es ihr vom Kanzleramt gesteckt. Doch das wird nicht reichen. Die nächste Lüge zeichnet sich ab…
Beispiel Spanien: Monatelang redete Berlin die Bankenkrise in Madrid schön. EU-Hilfen werde es nicht geben, so Merkel und Schäuble noch Anfang 2012. Dann überrumpelten sie Madrid plötzlich in einer Nacht- und Nebelaktion.
Unter Umgehung aller EU-Regeln wurde Spanien ein Hilfsprogramm aufoktroyiert (siehe “Breaking the rules”). Die Kosten der Bankenrettung wurden jedoch dem spanischen Staat aufgebürdet. Seitdem liegt Spanien am Boden.
Beispiel Zypern: Monatelang leugnete Berlin die Bankenkrise auf der Mittelmeerinsel. Ein Hilfsantrag aus Zypern wurde ignoriert, ein missliebiger Troika-Bericht einkassiert.
Dann dasselbe wie in Griechenland und Spanien: Als sich die Probleme nicht mehr leugnen ließen, übernahm Berlin das Kommando – und ordnete die Abwicklung des “Steuerparadieses” an (siehe “Ende eines Geschäftsmodells”).
Seither erlebt Zypern den schärfsten Konjunktureinbruch aller Euro-Krisenländer, schlimmer noch als in Griechenland. Doch Berlin tut so, als sei alles in bester Ordnung…
Insgesamt verfolgen Merkel und Schäuble das Ziel, die Krise kleinzureden und die Kosten für ihre Lösung auf andere abzuwälzen. Da sie die falsche Strategie verfolgen, werden die Kosten jedoch immer höher.
Es ist wie ein Schneeballsystem. Eines Tages wird es genauso zusammenbrechen wie das Lügengebäude der Euro”retter”. Dann kommt die Rechnung – und sie wird gesalzen ausfallen, auch und gerade für Deutschland…
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thewisemansfear
21. August 2013 @ 21:50
Vielleicht hilft dieses Interview mit Richard Koo, die Eurokrise aus einem anderen Blickwinkel zu sehen und nicht den Bauernfängern von der AfD in die Fänge zu laufen:
Hier bei YT. Leider nur auf Englisch, aber dafür rund 10 Minuten, in denen uns quasi der Spiegel vorgehalten wird. In den 20min davor geht es um die Vorgänge in Japan, außerdem erklärt er den von ihm geprägten Begriff der “Bilanzrezession”.
Fiskal- und Geldpolitik machen in der jetzigen Situation nur aufeinander abgestimmt überhaupt Sinn, getrennt voneinander agierend führen sie nicht zum Ziel einer wirtschaftlichen Stabilisierung, eher verpuffen sie relativ wirkungslos. Es ist unbestritten, dass die jetzige Struktur de Eurozone eine Fehlkonstruktion ist. Bei zig unterschiedlichen Volkswirtschaften und nur einer zentralen geldpolitischen Steuerung ist Konfliktpotential vorprogrammiert. Mit dem Rauswurf einzelner Länder ändert sich an dieser Tatsache herzlich wenig, vielmehr würde sich die Situation noch weiter verschärfen.
Olli
21. August 2013 @ 17:19
Frage an Radio Eriwan : Was der Unterschied zwischen Schuldenschnitt und Hilfszahlungen ?
Antwort : Keiner, das Geld ist in beiden Fällen weg.
ebo
21. August 2013 @ 17:27
Antwort aus Eriwan: Das kommt ganz darauf an. Wenn die Hilfen als Kredite gezahlt werden, gibts wenigstens Zinsen…und die Hoffnung auf Rückzahlung 🙂
nicht interesiert
21. August 2013 @ 12:38
ein sonnenschirm schüzt vor sonne, ein regenschirm vor regen vor was schüzt ein rettungsschirm?
z.b. grichenland wurde schon 2x geretet, warum dann nochmal retten?
alles merkwürdig!!!
rugay
21. August 2013 @ 11:59
Zitat: Das Flunkern und Vertuschen hat in Berlin System.
Nachdem ich mal wieder “geflunkert” hatte, machte mich meine Frau darauf aufmerksam, dass “Flunkern” auch nur ein beschönigender Begriff für eine glatte Lüge ist, ja den Lügner sogar noch
zu einer Art schelmisch-cleveren ” Smartass” erhöht. Das ist nicht der Fall – er ist einfach nur ein (skrupelloser) Lügner. Was man, als ein Beispiel, so als mehr oder weniger banal-belanglos hinstellen könnte hat aber in zahllosen Variationen Einzug in unseren Sprachgebrauch gefunden und so wird nicht nur die Lüge quasi gesellschaftlich/semantisch “subventioniert”.Und so kommt es dann , dass sich niemand mehr darüber aufregt oder gar fragt warum man sich denn überhaupt aufregt…ist doch “normal”..
Das ist jetzt nicht als lehrerhafte Korrektur gemeint – es fiel mir einfach nur mal wieder auf
Gruß
GS
21. August 2013 @ 11:34
Was regst Du Dich auf? Ich denke, dass das doch genau das ist, was Du willst. Griechenland bekommt den Schuldenschnitt, wir zahlen. Und Spanien liegt doch wohl schon viel länger am Boden und ist daran selbst auch nicht ganz unschuldig.
ebo
21. August 2013 @ 11:37
Falsch. Schäuble will den Schuldenschnitt verhindern, die EU-Kasse soll zahlen. Und was mich betrifft: Ich will keinen Schuldenschnitt, sondern eine andere “Rettungs”-politik. Und eine andere Regierung, denn mit der bisherigen wird es nicht gehen…
Hannes
21. August 2013 @ 14:31
Das ist schon klar, dass Du keinen Schuldenschnitt für Griechenland willst. Nach einem Schuldenschnitt (, der dann den Haushalt belasten würde) dürfte Deutschland schließlich keine weiteren “Kredite” an Griechenland gewähren…
ebo
21. August 2013 @ 15:34
So? Und was war mit dem ersten Schuldenschnitt, den Merkel und Schäuble gegen den Widerstand aller Experten durchgedrückt haben? Hat der Berlin etwa gehindert, neue Kredite nach Athen zu überweisen? Und sollte damals nicht alles gut werden? Diese Regierung und ihre verfehlte “Rettungs”politik ist das Kernproblem, übrigens nicht nur für Griechenland…
Hannes
21. August 2013 @ 18:33
Nice try, ebo! Ich weiß nichts von einem ‘Widerstand aller Experten’! Die Experten, die ich kenne oder deren Kritik ich gehört/gelesen habe, sehen den 1. Schuldenschnitt als nicht hinreichend an. Seriösen Experten ist seit Beginn der Krise bewusst, dass die Verschuldung Griechenlands nicht nachhaltig ist und ohne einem Moratorium auch keine nachhaltige Lösung für die Probleme Griechenlands erreicht werden kann.
Ich schließe allerdings auch nicht aus, dass sich durchaus in Brüssel ‘Experten’ finden, die aus naheliegenden Eigeninteressen einen Schuldenschnitt für Griechenland abgelehnt haben.
Wenn allerdings durch einen 2. Schuldenschnitt die in der öffentlichen Hand befindlichen Schuldtitel zum Teil abgeschrieben werden müssen, dürfen nach dem Haushaltsrecht keine weiteren Kredite an Griechenland gewährt werden. Darüber hinaus ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich dann der IWF aus diesem Schauspiel zurückziehen wird.
Wir sollten gespannt sein, was unsere Volksvertreten dann aus ihrer Trickkiste holen werden, um den ‘Untergang Europas’ (*gelächter*) abzuwenden.
Übrigens, ich gebe Dir hinsichtlich der ‘verfehlten Rettungspolitik’ unserer Regierung absolut recht! Unglücklicherweise gibt es bei den etablierten Parteien leider keine erfolgversprechenden Lösungsvorschläge. Aus diesem Grund schlage ich Dir vor im nächsten Monat Dein Kreuz bei den Experten der AfD zu machen. Unabhängig von den Ansätzen der AfD würde die wissenschaftlich fundierte Expertise dieser Partei die bisher ausschließlich politisch geführte Diskussion befruchten.