Unethisches Verhalten, ungebremste Inflation – und unentschiedene Richter

Die Watchlist EUropa vom 01. Oktober 2021 –

Bei der EU häufen sich Verstöße gegen die strikten Lobby- und Transparenzregeln. Der ehemalige deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger, Ex-Handelskommissar Phil Hogan und sogar Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen werden verdächtigt, die Regeln zu umgehen und Kontrollen zu erschweren.

Das Europaparlament will nun gegensteuern und eine unabhängige Ethikbehörde schaffen. Doch es gibt Widerstand. Ausgerechnet die Abgeordneten von CDU/CSU haben Bedenken gegen die geplante neue Aufsicht.

Das Ethikgremium wolle Polizei, Staatsanwaltschaft und Richter in einem sein, meint der CDU-Politiker Rainer Wieland, doch das gehe nicht. Wieland gelang es, die Abstimmung im Parlament immer wieder aufzuschieben.

Am Ende haben sich die Christdemokraten, die daheim in Deutschland von Masken-, Aserbaidschan- und anderen Lobbyaffären gebeutelt werden, der Stimme enthalten.

Nun liegt der Ball bei der EU-Kommission, die sich mit dem Parlament auf Details der neuen Ethikbehörde einigen muß. Doch auch dort hat man es nicht eilig.

Behördenchefin von der Leyen hatte sich nach ihrer umstrittenen Wahl 2019 zwar für die Einrichtung eines Gremiums ausgesprochen, das Verstöße gegen die eigentlich vorbildlichen Transparenzregeln kontrollieren kann. Doch dann schob sie das Thema auf die lange Bank.

Dabei ist sie inzwischen selbst in die Schusslinie geraten – wegen einer dubiosen SMS-Affäre mit Pfizer-Chef Bourla (mehr dazu hier).

Von Oettinger zu Hogan

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Intransparent geht es auch im Fall des früheren EU-Kommissars Oettinger zu. Der CDU-Politiker hatte nach seinem Abgang aus Brüssel mehr als ein Dutzend neue Jobs angenommen. Von der Leyen stellte ihrem Parteifreund dafür Sondergenehmigungen aus – mit der Auflage, keine Lobbyarbeit zu machen.

Doch das sei unglaubwürdig, so der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund: „Allein sieben der neuen Arbeitgeber stehen im Lobbyregister“.

Oettinger ist nicht der einzige, der die Regeln großzügig interpretiert: Gerade erst wurde bekannt, dass der frühere irische EU-Handelskommissar Hogan bei der Anwaltskanzlei DLA Piper anheuert.

123 Lobbyisten mehr als registriert

Die Firma ist weltweit tätig und berät ihre Kunden – meist große Unternehmen – in wirtschaftsrechtlichen Fragen. Und wieder mauert die EU-Kommission: Man sei nicht informiert und prüfe den Fall, heißt es in Brüssel. Für den Grünen-Parlamentarier Freund ist dies ein weiterer Beweis, dass die EU mehr tun muß.

Eine schärfere Kontrolle sei nicht nur in der Kommission, sondern auch im Parlament nötig. Dort sind 123 mehr Lobbyisten tätig als offiziell registriert, fand Freund nach eigenen Recherchen und Nachfragen im Transparenzregister heraus.

„Dieser Vorfall ist wieder ein Beleg dafür, dass gute Brüsseler Lobbyregeln nicht richtig durchgesetzt werden“, so sein Fazit. Umso wichtiger sei die neue Ethikbehörde. Ich bin grspannt, wann sie endlich kommt.

Dieses Jahr wird es bestimmt nichts mehr…

Siehe auch “Leyens neue SMS-Affäre”. Mehr zum Lobbyismus hier

Watchlist

Geht die Inflation auch in der Eurozone durch die Decke? Das will am Freitag die EU-Statistikbehörde Eurostat verraten. Die Verbraucherpreise in Deutschland haben bereits den höchsten Stand seit 28 Jahren erreicht: Sie stiegen im September um 4,1 Prozent. Getrieben wird die Inflation vor allem durch die hohen Energiepreise: Sie kletterten im September um voraussichtlich 14,3 Prozent. Doch EZB und EU-Kommission tun so, als sei alles nur ein vorübergehendes Problem – gegensteuern wollen sie nicht…

Was fehlt

Die Stellungnahme des polnischen Verfassungsgerichts zum EU-Recht. Die Richter haben auch am Donnerstag gekniffen (zum vierten Mal!) und die Entscheidung auf den 7. Okrober vertagt. Offenbar scheuen sie den Konflikt mit der EU-Kommission, die bereits diverse Verfahren gegen Polen eingeleitet hat und sogar Finanzhilfen zurückhält. Doch der Streit ist nur aufgeschoben. Spätestens beim EU-Gipfel Ende Oktober müssen alle Beteiligten Farbe bekennen – auch Kanzlerin Merkel. Mehr dazu hier