Kumpanei auf höchstem Niveau (II)
Kommissionschef Juncker und Parlamentspräsident Schulz arbeiten so „gut“ zusammen, dass sie nicht aufeinander verzichten wollen. Doch auch Finanzminister Schäuble pflegt Kumpanei auf höchstem Niveau.
Das legen jedenfalls die Berichte über die Sanktionsverfahren gegen Spanien und Portugal nahe. Diverse Medien melden nicht nur, dass Schäuble die Strafen persönlich verhindert habe.
Sie deuten auch auf ein mögliches Motiv: Schäuble wolle den spanischen Noch-Premier Rajoy und dessen Finanzminister De Guindos stützen, heißt es zum Beispiel in der FAZ. Zitat:
Der Minister, der in den vergangenen Jahren gerne als oberster EU-Hüter der Haushaltsdisziplin auftrat, hatte in diesen Verfahren kein Interesse an Sanktionen. Er wollte Druck auf seinen Parteifamilienfreund de Guindos vermeiden. Klar zu dieser Position bekannt hat sich Schäuble indes nie. Vielmehr versteckte er sich hinter der Kommission.
Diese Versteckspiel wiederum ärgert Junckers Kabinettschef Selmayr so sehr, dass er sich auf einen Twitter-Streit mit dem Brüsseler „Bild“-Korrespondenten einließ, der Dialog steht hier.
Daraus geht hervor, dass niemand an der Null-Strafe für Spanien „schuld“ sein will – dabei liegt auf der Hand, dass sie wirtschaftlich und politisch kontraproduktiv wäre.
Wir haben es also nicht nur mit Kumpanei zwischen Berlin und Madrid, sondern auch mit organisierter Verantwortungslosigkeit in Brüssel zu tun.
Und das Ganze ist ein Streit innerhalb der europäischen Konservativen, denn alle Beteiligten gehören der EVP von Kanzlerin Merkel an. Das ist wirklich höchstes Niveau…
P.S. Fast hätte ich es vergessen: Merkel hatte Rajoy zugesagt, dass De Guindos die Eurogruppen leiten solle. Daraus wurde dann zwar nichts – doch nun steht Berlin in Rajoys Schuld…
Johannes
1. August 2016 @ 13:27
Der olle Schäuble macht das, was Herr Bonse seit Wochen hier fordert, er verhindert Strafen. Und dann ist es doch wieder nicht gut?
Ja, der CDU Kerl hat seinen „Parteikollegen“ in Europa geholfen. Aber was, wenn es Millardenstrafen gegeben hätte?
Dann würde sie, Herr Bonse, hier ganz laut Kritik äußern. Ok. Aber dann sollten sie jetzt mal feiern, es ist genau das passiert, was sie sich wünschen, keine Strafen!
Und ich habe vor Wochen hier geschrieben, das genau DAS passieren wird.
Sie sollten feiern.
ebo
1. August 2016 @ 14:27
@Johannes Wer diesen Blog aufmerksam liest, wird mitbekommen haben, dass ich Geldstrafen in Defizitverfahren generell ablehne. Dass nun der Erfinder dieser Strafen, Herr Schäuble, diese höchstpersönlich aushebelt, um so seinen korrupten spanischen Parteifreunden einen Gefallen zu tun, macht die Sache nicht besser, sondern noch schlimmer. Hätten wir es in Spanien nicht mit Schäubles Kumpel De Guindos, sondern mit einem spanischen Varoufakis zu tun, so würde Schäuble vermutlich schon mit dem Euro-Rauswurf drohen…
alex
30. Juli 2016 @ 17:17
Naja, wenn sich Parlamentsopposition und Regierungschef in ein gemeinsames Bett legen, dann könnte man auch von etwas anderem reden, nicht nur Kumpanei oder Zungenkuss (man erinnere sich an das Bild von Honecker/Breschnew) … Aber es ist gar nicht verwunderlich: so haben wir da ja die Eurogruppe, die juristisch im rechtsfreiem Raum agiert (sie hat nicht einmal eine Geschäftsordnung) und dabei die wirtschaftlische Situation ganzer Nationen bestimmt, rechtlich aber wegen Immunität von keiner europäischen Staatsanwaltschaft dieser Welt belangt werden kann. Ein neoliberales Eldorado, mitten im Herzen Europas, das ist Brüssel. (Leider)
ebo
30. Juli 2016 @ 19:07
@Alex Das Pikante ist ja, dass Rajoys und De Guindos konservative Partei in diverse Korruptionsskandale verwickelt ist. Und genau diese Partei will Schäuble offenbar mit allen Mitteln an der Macht halten…
S.B.
30. Juli 2016 @ 16:40
Man ist geneigt, nicht nur von organisierter Kumpanei, sondern von organisierter Kriminalität zu sprechen. Denn der Rechtsbruch auf höchster Ebene und dessen ersetzen durch Willkür, ist inzwischen alltäglich geworden.
Peter Nemschak
29. Juli 2016 @ 15:14
Kein Wunder, wenn diese Leute einander mehr sehen (müssen) als ihre Familien.