Kriegsanleihen für Kiew, Drohnen für Brüssel – und Sanktionen für Schröder

Die Watchlist EUropa vom 19. Mai 2022 –

Die EU-Kommission will die Führung beim Wiederaufbau in der Ukraine übernehmen und dafür Milliarden investieren. Allein für dieses Jahr könne das Land mit einer Soforthilfe von bis zu neun Milliarden Euro rechnen, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Das Geld soll in Form von zinsvergünstigten Darlehen fließen, für die die Kommission Kredite an den Kapitalmärkten aufnimmt.

Die Europäer hätten ein “strategisches Interesse“ daran, dass die Ukraine schnell wieder auf die Beine kommt, sagte von der Leyen. Angesichts des russischen Angriffskriegs stehe das Land an der „Frontlinie“ und verteidige „unsere Werte“.

Bisher ist die Ukraine, die von Korruption und Misswirtschaft geplagt wird, allerdings nur durch ein Assoziierungsabkommen an die EU gebunden. Zudem ist kein Ende des Krieges absehbar. Die Schäden werden immer größer, die Staatskasse ist leer.

Nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds IWF braucht die Ukraine jeden Monat 5 Milliarden Dollar, um die laufenden Staatsaufgaben zu finanzieren. Die langfristigen Kosten für den Wiederaufbau schätzt Regierungschef Denys Schmyhal auf mindestens 600 Milliarden Dollar.

Von der Leyen sieht darin aber offenbar kein Problem. Man müsse schon jetzt an die Zeit nach dem Krieg denken und den EU-Beitritt vorbereiten, sagte sie. Investitionen und Reformen müssten Hand in Hand gehen. Die Kommission sei bereit, den Prozess zu steuern und den Wiederaufbau mit Partnern wie den USA oder dem IWF zu koordinieren. Dazu will sie eine „Wiederaufbauplattform“ einrichten.

Unklar ist, woher das Geld kommen soll. Von der Leyen sagte lediglich, dass die EU nicht allein zahlen will. Man werde einen neuen Fonds namens „Rebuild Ukraine“ schaffen, der “durch einen Mix aus Krediten und Zuschüssen” finanziert werden soll. Dabei könne die EU-Kommission an die Erfahrungen mit dem Corona-Wiederaufbaufonds anknüpfen, erklärte Budgetkommissar Johannes Hahn.

Schulden für die Ukraine?

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Für diesen Fonds hat die EU 750 Milliarden Euro Schulden aufgenommen. Allerdings sollte dies eine Ausnahme bleiben; nur unter dieser Bedingung hatten Deutschland und andere EU-Länder dem Corona-Plan zugestimmt. Dennoch zirkulieren in Brüssel bereits Pläne, einen neuen schuldenfinanzierten Fonds für die Ukraine zu schaffen.

Einige EU-Politiker denken auch darüber nach, die Devisenreserven der russischen Zentralbank anzuzapfen. Die EU und die USA hatten nach Beginn des Ukraine-Krieges Devisen im Wert von geschätzten 300 Milliarden Dollar eingefroren.

Nun könnten sie beschlagnahmt werden, meint der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. „Wir haben das Geld in unseren Taschen“, sagte der Spanier. Jetzt müsse man es nur noch an die Ukraine weiterleiten. Ähnlich waren die USA nach dem Abzug aus Afghanistan verfahren.

Massive Bedenken

Allerdings gibt es gegen beide Pläne massive Bedenken. Gegen Kriegsanleihen für die Ukraine hat sich die Bundesregierung ausgesprochen. Ein neues Schuldenprogramm werde es mit ihm nicht geben, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).

Vor der Enteignung der russischen Zentralbank warnen Wirtschaftsexperten. Das sei womöglich illegal und könne das Vertrauen in das Finanzsystem erschüttern, heißt es im Brüsseler Thinktank Bruegel.

Das letzte Wort haben die EU-Staaten. Sie müssen nun über alternative Finanzquellen nachdenken – und klären, ob die Ukraine den Status eines Beitrittskandidaten bekommt. Mit einer Entscheidung wird im Juni gerechnet.

Die Watchlist

Kommen EU-Sanktionen gegen Ex-Kanzler Schröder? Darüber stimmt am Donnerstag das Europaparlament ab. Auf die Sanktionsliste der EU sollen laut Textentwurf “europäische Mitglieder der Vorstände großer russischer Unternehmen und Politiker, die weiterhin russische Gelder erhalten”. Schröder wird in dem Text “nachdrücklich aufgefordert”, seine Posten bei den russischen Staatskonzernen aufzugeben. Das Votum ist nicht bindend…

Was fehlt

Drohnen, Panzer und Cyberwaffen für die EU. Das hat der Außenbeauftragte Borrell gefordert. “Wir brauchen eine moderne Luftverteidigung, wir brauchen Drohnen, wir brauchen Fähigkeiten zur Luftbetankung, wir brauchen Panzer und gepanzerte Fahrzeuge, wir brauchen Küstenverteidigung”, sagte er. Auch Fähigkeiten im Cyber- und Weltraum gehörten dazu, so der Spanier. Zudem müsste die Ausrüstung der nationalen Streitkräfte vereinheitlicht werden. Wozu das Ganze gut sein soll, sagte Borrell nicht…