Keine europäische Lösung, nirgendwo

Es ist der letzte EU-Gipfel vor dem Start in den Europa-Wahlkampf. Fünf Monate vor der Abstimmung im Mai 2019 wollen die Staats- und Regierungschefs zeigen, dass die EU funktioniert und für die Bürger arbeitet. Doch der Beweis fällt schwer. Bestenfalls gibt es Schein-Lösungen.

„Wir müssen liefern, was wir versprochen haben“, fordert Gipfelchef Tusk in seiner Einladung. „Wir wollen die Reformagenda zu 100 Prozent umsetzen“, sagt ein ranghoher EU-Diplomat.

Doch kurz vor dem Treffen, das die Bürger beruhigen  soll, macht sich Verunsicherung breit. Denn wohin man auch schaut: Überall brennt die Hütte, täglich kommen neue Krisen hinzu:

  • Die britische Premierministerin May mußte sich am Mittwoch einem Misstrauensvotum stellen, aus dem sie geschwächt hervorging; der Brexit am 29. März 2019 droht im Chaos zu enden.
  • Frankreichs Staatschef Macron sucht händeringend eine Antwort auf die Revolte der „Gelbwesten“ – und könnte mit seinen Sozialversprechen die EU-Budgetregeln sprengen.
  • Und dann ist da noch der Terror in Straßburg, die Regierungskrise in Belgien und der Budgetstreit mit Italien. Wie kann die EU da noch für Stabilität sorgen, frage sich viele.

„Wir haben Vertrauen in Europa“, wiegelte der Chefsprecher von Kommissionspräsident Juncker ab. „Zu allen Problemen liegen detaillierte Vorschläge auf dem Tisch.“

In der Tat: Zu den großen Themen dieses Gipfels – Brexit, Euro-Reform, Asylpolitik und neues EU-Budget – hat die Kommission geliefert. Doch die EU-Staaten spielen nicht mit.

Beim Brexit stellt sich UK quer – für den EU-Deal gibt es keine Mehrheit. Die Euro-Reform haben die “Hanseaten” ausgebremst – von den großen Plänen für ein Euro-Budget oder einen Europäischen Währungsfonds ist fast nichts übrig.

In der Asylpolitik blockieren die Visegrad-Staaten, aber auch Italien. Die “europäische Lösung” bei der Verteilung der Flüchtlinge, die Kanzlerin Merkel seit 2015 verspricht, ist kein Thema mehr.

Und über das neue EU-Rahmenbudget 2021-2027 haben noch nicht einmal die Verhandlungen begonnen. Das Versprechen, vor der Europawahl zu “liefern”, lässt sich nicht mehr halten…

Sie finden diese Analyse zu negativ? Dann lesen Sie ‘mal das hier – aus der “New York Times”. Oder den Background zur ungelösten EU-Krise in meinem neuen E-Book “Der verhinderte Neustart”

WATCHLIST:

  • Steigt die EZB aus dem umstrittenen Anleiheprogramm aus? Ende des Jahres soll Schluss sein – am Donnerstag soll der formale Beschluss in Frankfurt fallen. Bei den Zinsen wird sich dagegen vorerst nichts tun. EZB-Chef Draghi hatte wiederholt bekräftigt, dass die Zinsen bis “mindestens über den Sommer 2019” auf dem aktuellen Niveau bleiben werden. Denn am Konjunktur-Horizont türmen sich die dunklen Wolken; das Europa-Wahljahr könnte holprig werden…

WAS FEHLT:

  • Das (kleine) Zugeständnis Italiens. Statt 2,4 % des BIP will Rom nun nur 2,04% neue Schulden machen. Man hat eine Null eingefügt! Reicht das, um das Defizitverfahren zu stoppen? Eigentlich nein, denn die EU-Kommission hat das Verfahren nicht mit der Neuverschuldung, sondern mit dem hohen Schuldenstand begründet. Trotzdem spricht die EU-Behörde von “gutem Fortschritt”. Auch Frankreich darf sich freuen: Die neuen Schulden werden erst 2019 geprüft…