Kaum Bewegung in den Wahlumfragen – wo bleibt der Wahlkampf?
Schwarzgrün schwächelt, R2G erreicht in den Wahlumfragen keine Mehrheit mehr, und eine schwarzgrüngelbe Koalition will keiner. Wann beginnt eigentlich der Wahlkampf, und wann redet man endlich über EUropa?
Die Wahlumfragen zeigen in dieser Woche ein konfuses Bild. Bei Kantar fallen die Grünen unter die 20 Prozent (aktuell 19), die SPD komt mit 17 Prozent fast an sie heran.
Die Forschungsgruppe Wahlen sieht die Grünen stabil, und die SPD schwächer. Allen Umfragen gemein ist, dass es für R2G nicht reicht.
Schwarzgrün schwächelt – vor allem wegen der Grünen – doch eine schwarzgrüngelbe Koalition will keiner. Anders gesagt: es ist noch alles offen.
Genau der richtige Moment, um in den Wahlkampf zu starten, sollte man meinen. Zumal die Legislatur de facto beendet ist. Kanzlerin Merkel hat ihre letzte Regierungserklärung abgegeben und den letzten EU-Gipfel absolviert.
Doch es passiert – nichts. Statt Wahlkampf zu machen, setzen Laschet und Baerbock staatstragende Tweets ab, in denen sie den Opfern der Messerstecherei von Würzburg Beileid bekunden.
Es klingt, als seien sie schon Kanzlerin/in – aber nicht, als wollten sie um das höchste Amt streiten oder gar richtig kämpfen. Tweets zum Scheitern Merkels beim EU-Gipfel sucht man dagegen vergebens.
Die Europapolitik wird, so scheint’s, kein großes Thema. Aber was dann? Nicht einmal zum deutschen “Politikversagen” in der Coronakrise hört man viel…
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Thomas Fiedler
27. Juni 2021 @ 13:06
Zu dieser merkwürdigen Nicht-Wahlkampf-Stimmung passt vielleicht meine Prognose, die sicherlich nicht euphorisierend wirkt: CDU/CSU, SPD, FDP (sog. Deutschlandkoalition). In der Mitte gleicht sich das Auf und Ab in Umfragen wie in kommunizierenden Röhren aus. Diese Koalition käme also sicher über 50 v.H., beruhigt die weitverbreitete Furcht vor Wechsel und zieht als haushalterisches und bürgerrechtliches Korrektiv die FDP in die Regierungsverantwortung. Für eine solche Koalition braucht es keinen besonders scharfen Wahlkampf. Die SPD wird so oder so weiter dümpeln, und die FDP wäre auch in einer unbequemeren Jamaica-Koalition der Joker.
Klaus Draeger
26. Juni 2021 @ 19:12
Wer will denn welche Koalition/Konstellation?
Für GR2 (SPD, Grüne, Linke) wird es sicher nicht reichen. Ein solches Bündnis (inhaltlich) wünschen laut Umfragen ca. 25 – 28 % der Wahlberechtigten. Früher (in den 1990ern) war es wg. ‘Rot-Grün’ (Schröder/Fischer) inhaltlich ähnlich: nur 25 % wollten inhaltlich ‘Rot-Grün’. Was die Schröder/Fischer Koalition dann machte (‘Neue Mitte’, ‘Hartz IV’ usw.) ist bekannt.
Nüchtern betrachtet: Es gibt keine ausgeprägte Wechselstimmung in Deutschland.
CDU/CSU liegen in allen Umfragen vorn, diese Truppe ist der ‘Stabilitätsanker’. Die brauchen eigentlich kein Programm – sie sind die ‘natürliche Partei der Regierungsmacht’.
Ob es für Schwarz-Grün reicht oder nicht – ist eigentlich egal. Wenn nicht, wird die FDP (die den Konservativen in den Umfragen so einiges ab zwackt), diesmal für Jamaika bereit stehen.
Die andere Variante (Ampel) erscheint recht unwahrscheinlich. Ob Schwarz-Grün, Jamaika oder Ampel – Deutschland wird sicher weiterhin von der ‘extremen Mitte’ regiert werden. Ein substanzieller Politikwechsel ist hierzulande nicht in Sicht.
Vielleicht sollten Interessierte nachträglich noch mal einen Blick auf den damals ausgehandelten Jamaika-Koalitionsvertrag werfen. Den hat C. Lindner von der FDP damals scheitern lassen. Aber was die Grünen in vielen Politikbereichen da mit trugen – interessant. Bei sozialen Themen hatte sogar die SPD in der darauf folgenden Groko mehr raus geholt als die Grünen.
Also: warum setzen Laschet & Baerbock staatstragende Tweets ab? M.E. weil sie strategisch kein Problem miteinander haben – halt ‘extreme Mitte’, und notfalls auch mit FDP.
ebo
26. Juni 2021 @ 19:45
Stimmt, eine Wechselstimmung ist nicht zu sehen. Was mich skeptisch macht, ist die Abwesenheit von Kontroverse und Wahlkampf. Heute Abend wieder eine Dreierrunde mit Laschet, Scholz und Baerbock zur Außenpolitik – und keinerlei Streit in dieser “Elefantenrunde”, alle gehen brav auf die Stichworte von Ischinger ein und antworten, als wollten sie Merkel imitieren. Wo bleibt der Protest der “kleinen Parteien” – und der Wähler, die Besseres verdient haben?