Planlos in den harten Brexit
In London verdichten sich die Anzeichen, dass UK ohne Deal aus der EU ausscheiden will. Doch Brüssel gibt sich unbeeindruckt. Die Haltung habe sich nicht verändert, man sei auf alles vorbereitet. Really?
In Wahrheit sagt jeder etwas anderes, es herrscht Kakophonie. „We are still in a Brexit break“, erklärt die EU-Kommission – und weist Fragen nach dem designierten neuen Premier Boris Johnson barsch zurück.
Gleichzeitig gibt Brexit-Unterhändler Michel Barnier in London Interviews. Er sei sich sicher, dass „die britische Seite weiß, dass uns eine solche Drohung nie beeindruckt hat“, sagte Barnier zu Johnsons Flirt mit dem „No deal“.
Wieder anders redet der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans. Bei den Brexit-Verhandlungen der letzten Jahre seien die Briten herumgelaufen „wie die Idioten“. Offenbar hätten sie keinen Plan.
Doch nun ist es die EU, die keinen Plan hat. Das offenbaren die Erklärungen der kommenden Kommissionschefin Von der Leyen. Sie sprach sich bei ihrer Rede im Europaparlament für eine neuerliche Verlängerung aus.
“Sollte mehr Zeit nötig sein und sollten gute Gründe vorgebracht werden, werde ich eine weitere Verschiebung befürworten”, schrieb sie in einem Brief an Sozialdemokraten und Liberale. Damit ist die Verwirrung komplett.
Denn die neue Kommission tritt ihr Amt erst am 1. November an – die aktuelle Brexit-Deadline endet aber am 31. Oktober. Eigentlich sollte UK also schon kein EU-Mitglied mehr sein, wenn VdL ihre Arbeit aufnimmt.
Klar Schiff machen möchte vor allem Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron – für ihn ist am 31. Oktober Schluß. Und eine Verlängerung macht ja überhaupt nur Sinn, wenn die Briten verhandeln wollen.
Derzeit sind es aber die Europäer, die so tun, als gebe es nichts zu verhandeln. Dabei müßte ihnen doch klar sein, dass der Brexit-Deal, den sie mit Theresa May ausgehandelt haben, tot ist…
Siehe auch: „So wird der Brexit zum Albtraum“ und „Ketzerische Gedanken zu Johnson und zum Brexit“
P.S. In einem Interview mit dem „Guardian“ bekräftigte Von der Leyen ihre Haltung zum Brexit-Deal: Von der Leyen said the withdrawal agreement was “not dead”. “No, it is a good agreement, which was negotiated properly in accordance with the red lines drawn by the British government.” Zu dumm, dass sich gerade sowohl die britische Regierung als auch die roten Linien ändern…
Günter Predl
19. Juli 2019 @ 09:20
Es wird keinen ungeordneten Brexit geben. Das House of Commons hat dem von Boris angedachten Wahnsinn am 28.7. mit großer Mehrheit einen Riegel vorgeschoben. Auch Boris hat nun die gleiche Wahl wie Theresa: entweder den mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag zu ratifizieren – dazu bräuchte es eine parlamentarische Mehrheit – oder eben den Brexit weiter verschieben. Vermutlich wird die Mehrheit dann ein zweites Referendum beschließen, um nun den dann – hoffentlich – besser informierten Volkswillen zu hören. Ob das allerdings für einen wirklichen Brexit bzw einen dauerhaften Rückzug vom Brexit reichen wird, das steht in den Sternen, denn diese Referenden sind für das Parlament nicht bindend.
ebo
19. Juli 2019 @ 09:31
Wait and see. Der Status quo ist unhaltbar, und der Ausgang eines zweiten Referendums ungewiß. Es würde mich nicht wundern, wenn die Brexiters dabei noch stärker würden.
Peter Nemschak
18. Juli 2019 @ 21:32
Zumindest die Finanzindustrie muss sich darauf vorbereitet haben. Sonst bekäme sie Schwierigkeiten mit der Aufsicht.
Peter Nemschak
18. Juli 2019 @ 16:08
Die Wirtschaft sollte genug Zeit gehabt haben sich auf einen ungeordneten BREXIT vorzubereiten. Im Unterschied zu den Politikern haben Unternehmen einen klaren Anreiz etwas zu tun: sie wollen Gewinne oder zumindest keine Verluste machen. Innenpolitisch scheint der Druck auf die Konservativen einen geordneten BREXIT auszuhandeln nicht besonders stark zu sein. In Bereichen, die dem UK und der EU wichtig sind, wird man nach dem BREXIT b.a.w. auf Basis der Reziprozität weitermachen.
Holly01
18. Juli 2019 @ 17:16
Ich gehe dann mal (auf dieser Basis:
“ https://de.wikipedia.org/wiki/Reziprozit%C3%A4t “
von einer “ https://de.wikipedia.org/wiki/Indirekte_Reziprozit%C3%A4t “
.. und wenn Sie das für Ironie halten, dann liegen Sie richtig ….
Auf ein Ereignis wie den Brexit kann man sich überhaupt nicht vorbereiten.
Wenn das Pfund stabil bliebe eventuell, wenn das um 20% einbricht ist jede Vorbereitung nicht das Papier wert, auf der das gedruckt wurde ….
Wenn BJ wieder einmal sein „Genie“ einsetzt und keine Ahnung hat, was er damit los tritt (also der Normalfall, der passt ideal zu Trump, die gleiche aufgeblasene Selbstverliebtheit bei komplett fehlender Kompetenz), dann kann man das nicht planen.
Wenn das Macrönchen „non“ sagt, kann man das nicht planen, weil man nicht weiß wann er es sagt.
Wenn die ach so geliebt DB (Deutsche Bank ^^) kollabiert, weil die den Schock aus Teilung des Geschäfts in zwei Rechtsbereiche (Aufsichtsbereiche) und gleichzeitigem Kurseinbruch (wieder einmal) nicht verkraftet, dann kann man das nicht planen.
Also singen im Wald und meinen „alles wird gut“ kann es nicht richten.
Ich sehe aber auch keine Persönlichkeit am Horizont die sagt „Ich mach das jetzt und tu alles was dafür nötig ist und glauben Sie mir es wird genug sein“. Jedenfalls keine Persönlichkeit der man das glauben würde.
BJ (das steht für Boris Johnson, nicht für blow job^^) wird den Schwanz einklemmen und jaulend im Kreis herumrennen und wahlweise Angst vor seinem Schatten haben oder seinen eigenen Schwanz jagen, der kann ja nichts anderes ….
vlg
Holly01
18. Juli 2019 @ 15:46
„Derzeit sind es aber die Europäer, die so tun, als gebe es nichts zu verhandeln. Dabei müßte ihnen doch klar sein, dass der Brexit-Deal, den sie mit Theresa May ausgehandelt haben, tot ist… “
Fakt ist da gibt es einen Stapel Papiere, auf denen sind die Unterschriften von Vertretern der EU und des UK ……
Das ist wie eine Hochzeit. Das kann einem nach 24h peinlich sein oder es gab das große „Erwachen“ ala „Liebe macht blind, Ehe macht sehend“, aber da bleibt dieses Stück Papier mit seiner eigenen Realität ….
vlg
ebo
18. Juli 2019 @ 16:02
No, da ist nur eine britische Unterschrift: Von May. Sie hat den Deal nie ratifiziert. Deshalb ist er mit ihrem Abgang wertlos geworden, da kann sich die EU Kopf stellen. Übrigens hat das Europaparlament ihn auch nicht ratifiziert…
Holly01
18. Juli 2019 @ 16:23
Es ist eigentlich egal wie herum Sie es sehen.
Wir kommen an das selbe Ende.
Die Verhandlungen wurden geführt, das (einzige?) mögliche Ergebnis liegt auf dem Tisch und erzeugt seine ganz eigene Realität.
Wobei es aber dann bezeichnend ist, das auf beiden Seiten keiner ein Interesse hatte diese Realität anzuerkennen.
Das macht es eigentlich noch eindeutiger …
vlg