Impressionen aus London im (Stellvertreter-)Krieg
In Belgien ist Feiertag, die EU macht Pause. Deshalb teile ich zur Abwechslung einige Impressionen von meinem letzten (privaten) Trip nach London. Es geht um den Krieg in der Ukraine, den neuen Premier und den Klimaschutz. – English version here
Erster Eindruck: UK macht nicht so einen derangierten Eindruck, wie man dies nach den Turbulenzen der letzten Wochen erwarten könnte. Auch wenn die Queen tot ist und die Tories auf dem letzten Loch pfeifen – in London herrscht “business as usual”.
Zweiter Eindruck: Der Ukraine-Krieg spielt in den Medien nicht annähernd eine so große Rolle wie in Deutschland. Keine Debatte über Waffenlieferungen, keine Pressionen aus der Ukraine – UK hat sich erfolgreich als treuester Verbündeter positioniert.
Dass London die zweite Heimat der russischen Oligarchen war – vergessen. Während sich die Deutschen ständig Vorhaltungen wegen der (alten) Russland-Connection anhören müssen, haben die Briten einfach ihre schmutzige Weste gewendet – eine große Heuchelei!
Die Medien schaffen es sogar, den krassen Vorwurf aus Moskau zu verdrängen, dass London hinter dem Attentat auf Nord Stream und dem Angriff auf Sebastopol stecken soll. Im “Observer” habe ich davon nur auf Seite 2 im Kleingedruckten gelesen…
Dabei bedeuten die Vorwürfe ja nichts anderes, als dass London in Moskau als aktive Kriegspartei betrachtet wird – was ernste Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Politik und Medien scheinen dies zu ignorieren – in Deutschland undenkbar!
Dritter Eindruck: Der neue Premier Sunak interessiert vor allem die City, wo er – wenig überraschend – gut ankommt. Ihm wird Finanz-Kompetenz zugeschrieben, schließlich kommt er von Goldman Sachs. Sein Austeritäts-Kurs sorgt (noch) nicht für Proteste.
Allerdings steht Sunak schon unter Druck, weil er nicht zur Klimakonferenz COP27 fahren will. Angeblich plant nun Ex-Premier Johnson nach zu Ägypten reisen. Dies wiederum soll einen “Alarm” in Downing Street 10 ausgelöst haben, so der “Observer”.
Fest steht, dass die Klimapolitik derzeit kein Schwerpunkt der britischen Politik ist. Die meisten Briten dürften schon froh sein, wenn sie einigermaßen wohlbehalten durch den Winter kommen. Wegen der Energiekrise drohen dreistündige Stromsperren.
Und das in einem Land, das selbst Öl und Gas fördert und längst nicht so abhängig von Russland war wie Deutschland – sieht man von den Milliarden der Oligarchen ab…
Mehr zum UK hier
KK
2. November 2022 @ 10:31
@ Arthur Dent:
Im Gegensatz zu Truss ist Sunak nicht nur eine Marionette der Finanzaristokratie – er gehört sogar selbst dazu!
Das heisst, kürzer gehen die Fäden an der Marionette gar nicht mehr.
Arthur Dent
2. November 2022 @ 09:56
Sunak ist wie Truss nur eine Marionette. Die Politik des Landes wird von der Finanzaristokratie bestimmt. Mit Selbstbestimmung (Demokratie) hat das auch nach dem Brexit wenig zu tun.
KK
1. November 2022 @ 17:56
Wurde nicht auch von Russland geäussert, dass in erster Linie UK für die Sprengung der beiden NorthStream-Pipelines verantwortlich sei? Was vom UK natürlich sofort wegen „mangelnder Fähigkeiten“ zurückgewiesen wurde – aber ausgerechnet das UK mit seiner langen Marinetradition soll dazu nicht in der Lage sein, wo es einige andere europäische Länder ohne ein derart hochrerüstete Marine durchaus wären?
Wundern würde mich das alles nicht…
WBD-399
1. November 2022 @ 15:48
Mich hat dieses Zitat hier ziemlich überrascht: “Dabei bedeuten die Vorwürfe ja nichts anderes, als dass London in Moskau als aktive Kriegspartei betrachtet wird – was ernste Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Politik und Medien scheinen dies zu ignorieren – in Deutschland undenkbar!”
Ich sehe es eher so, daß diese Gefahr in Deutschland VÖLLIG ignoriert wird. Hier sind doch die Medien in einem Überbietungswettbewerb, wer am krassesten die Regierung als ‘Weichei’ darstellen kann. Daß damit die Regierung in Richtung Krieg gedrängt wird, sieht (meiner Ansicht nach) keiner!
ebo
1. November 2022 @ 15:56
Ja, aber Lonon ist ja bereits viel mehr involviert als Berlin (soweit man weiß). Und der Vorwurf aus Moskau ist auch viel direkter.
Deutschland wird ständig von der Ukraine bearbeitet, UK hingegen gerät nun in das Visier Russlands…
KK
1. November 2022 @ 14:13
Die dreistündigen Stromsperren sind doch zum Stromsparen absoluter Quatsch – das dann Eingesparte wird doch dann vorher und nachher aus dem Netz gezogen, und die Kühl- und Gefriergeräte und die vom Strom abhängigen modernen Heizungen (meine Gasheizung ist bei Stromausfall komplett aus) müssen danach umso mehr bullern, um wieder die Solltemperaturen zu erreichen…
Pjotr56
1. November 2022 @ 16:04
Da gibt’s nur eins: Die Solltemperatur der Heizung auf Außentemperatur senken 😉