“Ich rechne fest mit einer Klage”

“Er spitzt schon den Bleistift”

Die von Kanzlerin Merkel beim EU-Gipfel durchgedrückte Fiskalunion hilft nicht bei der Lösung der Euro-Krise, doch sie könnte auch Deutschland noch massive Probleme bereiten. Diese Meinung vertritt J. Janning, Forschungsdirektor beim European Policy Center in Brüssel. Der EU-Experte rechnet fest mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht – das kann ja heiter werden!

Herr Janning, der Euro ist auch nach dem EU-Krisengipfel unter Druck. War der Gipfel ein Misserfolg?

Josef Janning: Nein, das Treffen markiert schon eine Zäsur. Deutschland hat erkannt, dass es die Macht im System nicht dauerhaft halten kann und dass es einen neuen EU-Vertrag braucht, um seine Position zu sichern. Frankreich hat sich weitgehend angeschlossen und sein Spielmaterial ad acta gelegt, etwa die Eurobonds.

Sind Eurobonds damit endgültig vom Tisch?

Nein. Angela Merkel hat sich, vielleicht unbeabsichtigt, in die Karten schauen lassen. In ihrer Bundestagsrede erklärte sie, solange es keine strikte Haushaltskontrollen in der Eurozone gibt, seien Eurobonds ausgeschlossen. Das zeigt, dass sie sich eine Hintertür offen hält. Offenbar gibt es da Linien, die sich mit den Überlegungen in Frankreich schneiden. Der EU-Gipfel hat den Einstieg in die Schaffung der Voraussetzungen für Eurobonds gebracht. Ein neuer Vertrag muss jedoch zunächst vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben.

Sie rechnen mit einer Klage?

Ja, Bundestagspräsident Norbert Lammert hat ja schon den Bleistift gespitzt. Offenbar macht er sich Sorgen wegen der neuen Budgetkontrollen. Nach dem neuen Vertrag soll das Budget bereits vor seiner Verabschiedung durch den Bundestag nach Brüssel zur Überprüfung geschickt werden. Das trifft im Gegensatz zu bisher nicht nur die Schuldensünder, sondern auch Deutschland. Denn ein System nur für Ausreißer kann auf Dauer nicht funktionieren.

Hilft die neue Fiskalunion wenigstens bei der Lösung der aktuellen Probleme in der Eurozone? Die viel beschworene Bazooka kommt ja nicht …

Nein. Die Idee der Bazooka war, die Unsicherheit an den Märkten mit Masse totzuschlagen. Doch die ursprünglich geplante Billion für den Eurorettungsschirm kommt nicht mehr zustande. Das wird in der EU nicht mehr gewollt oder ist rechtlich nicht machbar. Auch eine massive Intervention am Anleihenmarkt wird es nicht geben. Die Europäische Zentralbank hat nun einmal nicht dasselbe Mandat wie die US-Notenbank …

man hätte das Mandat ja ändern können, wenn man schon einen neuen Vertrag schreibt.

Ja, aber Deutschland wollte nicht so weit gehen. Deutschland wird allenfalls punktuelle Interventionen der EZB tolerieren.

P.S. Dies ist ein Auszug aus einem Interview, das ich heute in der taz veröffentlicht habe.

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