Hätte-hätte-Lieferkette, China soll helfen – und Ceta kann kommen

Die Watchlist EUropa vom 02. Dezember 2022 – Heute mit dem Streit um das europäische Lieferketten-Gesetz, dem China-Besuch von EU-Ratspräsident Michel – und grünem Licht für das Freihandelsabkommen Ceta.

Das europäische Lieferkettengesetz soll entschärft werden. Dies geht aus der gemeinsamen Position der 27 EU-Staaten hervor, mit denen sie in die abschließenden Verhandlungen mit dem Europaparlament gehen wollen. Grüne und Sozialdemokraten kritisierten den Entwurf, vielen Unternehmen geht er dagegen schon viel zu weit.

Laut der grundsätzlichen Einigung sollen die Regeln zunächst nur für sehr große Firmen mit mehr als 1000 Angestellten und einem weltweiten Jahresumsatz von 300 Millionen Euro gelten. Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission sah eine Schwelle von 500 Beschäftigten bei einem weltweiten Jahresumsatz von 150 Millionen Euro vor.

Für Finanzdienstleistungen sind in dem Verhandlungspapier nur sehr eingeschränkte Sorgfaltspflichten vorgesehen. Die Mitgliedstaaten können sogar darauf verzichten, diese konkret zu regulieren. Außerdem müssten sich Exporteure nicht mit der Verwendung ihrer Produkte beschäftigen. Zudem wird die Tiefe der Lieferketten eingeschränkt.

Keine Prüfpflicht für Produkte

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So sollen nur noch vorgelagerte Produktionsschritte sowie das Recycling und Abfallmanagement von Produkten umfasst sein, wie der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken kritisiert. Die letztlich entscheidende Pflicht zu prüfen, ob die eigenen Produkte menschenrechts- und umweltschutzkonform eingesetzt werden, falle damit weg.

Die Verhandlungsführerin der Grünen im Handelsausschuss, Anna Cavazzini, kritisierte Frankreich. Die Regierung in Paris habe den Finanzsektors weitgehend aussgeklammert; dies sei „skandalös und nicht nachvollziehbar“. Der Finanzsektor habe eine enorme Lenkungswirkung und müsse daher in das Lieferkettengesetz einbezogen werden.

Tschechien wertete den Kompromiss dagegen als Erfolg. Es sei wichtig, dass Unternehmen “die Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf Menschenrechte und die Umwelt erkennen und verhindern”, erklärte der tschechische Industrieminister Jozef Sikela in Brüssel. Tschechien hat gerade den halbjährlich wechselnden EU-Ratsvorsitz inne.

Brüssel geht weiter als Berlin

Nach der Einigung der Staaten können die Verhandlungen mit dem Parlament beginnen. Das Endergebnis ist auch für Deutschland relevant. Denn die EU-Pläne gehen schon jetzt über das deutsche Sorgfaltspflichtengesetz hinaus. In Deutschland sind ab Januar 2023 zunächst nur Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten betroffen.

Die deutsche Wirtschaft warnt bereits vor möglichen Verschärfungen durch die EU. Der Zentralverband des deutschen Handwerks fordert, europäische Lieferketten von der Nachweispflicht auszunehmen. Die Betriebe müssten davon ausgehen können, dass Menschenrechts- und Umweltstandards innerhalb der EU eingehalten werden.

Aus Sicht des des zivilgesellschaftlichen Bündnisses „Initiative Lieferkettengesetz“ geht der EU-Entwurf hingegen längst nicht weit genug. Der Ratsbeschluss umschiffe zwar einige Schwächen des deutschen Lieferkettengesetzes. Dennoch seien Kurskorrektoren nötig, sagte der Sprecher des Bündnisses, Johannes Heeg.

So seien Waffenexporte bisher noch gar nicht erfasst. Außerdem müssten sich Exporteure nicht mit der Verwendung ihrer Produkte beschäftigen. Damit wären Agrarkonzerne fein raus…

Watchlist

Wird China im Ukraine-Krieg vermitteln? Darauf hofft EU-Ratspräsident Michel. Er forderte bei einem Besuch in Peking, Einfluss auf Russland für Ende des Kriegs auszuüben. Chinas Staatschef Xi Jinping sagte eine “konstruktive Rolle” zu. Doch rasche diplomatische Erfolge sind nicht in Sicht. Denn China hält weiter zu Russland, trotz leister Kritik. Und die EU hat es bisher selbst nicht für nötig befunden, auf Diplomatie zu setzen – im Gegenteil: Sie heizt den Konflikt mit immer mehr Waffenlieferungen an. Insofern spielt der EU-Michel eine fragwürdige Rolle. Er sollte auch mal nach Moskau reisen…

Was fehlt

Das grüne Licht des Bundestags für das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta). Dafür votierten 559 Abgeordnete. 110 Parlamentarier stimmten dagegen. Die Wirtschaft erhofft sich einen Schub im Handel mit dem nordamerikanischen Land und weitere Abkommen mit anderen Staaten wie Chile und Mexiko. Kritiker monieren, mit dem Abkommen würden Sonderrechte für ausländische Investoren geschaffen sowie Firmengewinne über Klima- und Umweltbedürfnisse gestellt. Mehrere EU-Länder haben immer noch Vorbehalte. Berlin hatte ein Zusatzprotokoll ausgehandelt.