Schummeln beim Datenschutz, Spannungen im Schwarzmeer – und Kritik an Agrarreform

Die Watchlist EUropa vom 29. Juni 2021 –

Die EU-Kommission hat Großbritannien grünes Licht für den Austausch persönlicher Daten gegeben. Die britischen Standards entsprächen der Datenschutzgrundverordnung, heißt es in Brüssel. Auch die Geheimdienste dürfen zugreifen – obwohl sie die EU ausspähen.

Der Austausch sei “wichtig für reibungslosen Handel und eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung”, erklärte EU-Justizkommissar Didier Reynders. “Nach monatelanger sorgfältiger Prüfung” könnten die Bürgerinnen und Bürger nun sicher sein, “dass ihre personenbezogenen Daten bei Übermittlungen in das Vereinigte Königreich geschützt sind”.

Das ist geschummelt. Man erinnere sich nur an “Cambridge Analytica” – ein 2014 von der britischen SCL Group gegründetes Datenanalyse-Unternehmen, das in großem Stil Facebook-Daten für politische Werbezwecke ausbeutete. Von dem Skandal, der schließlich zur Insolvenz führte, waren auch EU-Bürger betroffen.

Zudem spioniert Großbritannien systematisch die EU und ihre Bürger aus, wie zuletzt 2018 offenbar wurde. Der damalige Regierungssprecher Gibb erklärte, that Downing Street held “intelligence, including pages and pages of transcriptions of conversations” and knew “what the Europeans are thinking”.

Brüssel hofft auf Hilfe aus London

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Damals reagierte die EU-Kommission wütend – doch eingeschritten ist sie nicht. Auch jetzt dürfte es kaum besser werden. Denn die Briten arbeiten über die “Five Eyes“-Allianz der Geheimdienste eng mit den USA zusammen. Über den Umweg London dürften unsere Daten also direkt zu den US-Diensten gelangen.

Dass dafür eine “vorherige Genehmigung durch ein unabhängiges Rechtsorgan” nötig sei, wie Reynders beteuert, ist ein schwacher Trost. Seit wann haben Spione vorher um Genehmigung gefragt, wenn sie an sensible Daten herankommen wollten?

Umgekehrt wird ein Schuh’ draus: Brüssel hat grünes Licht gegeben, weil es auf Zugang zu geheimdienstlichen und sicherheitsrelevanten Informationen aus London hofft. Schließlich soll die Sicherheits-Zusammenarbeit ja auch nach dem Brexit weitergehen! Bedenken des Europaparlaments wurden beiseite gewischt.

Bürgerthemen bleiben liegen

A propos Brexit: Es ist schon bezeichnend, dass die EU mehr Eile an den Tag legt, den Austausch privater, vertraulicher und sicherheitsrelevanter Daten mit London zu genehmigen, als jene Fragen zu klären, die die Bürger wirklich bewegen.

So ist der “Würstchen-Streit” mit Großbritannien immer noch nicht beigelegt, was die Briten nervt. Umgekehrt ist der Status vieler Tausender EU-Bürger auf der Insel immer noch nicht geklärt.

Aber das scheint alles nicht so eilig zu sein wie der Austausch von Geheimdienst-Informationen und der “reibungslose Handel”. Was mal wieder zeigt, wo die wahren Werte der EU liegen…

Siehe auch “Brüssel und die Geheimdienste”

Watchlist

Droht nun auch noch eine Eskalation im Schwarzen Meer – nach dem Nervenkrieg an der russisch-ukrainischen Grenze im Frühjahr? Dies fragen (kritische) Beobachter (etwa bei “telepolis”) angesichts des Manövers Sea Breeze, das mit 32 Kriegsschiffen, 40 Flugzeugen und 5.000 Soldaten von der Ukraine, den USA und der Nato abgehalten wird. Schon in der vergangenen Woche war es zu Spannungen um ein britisches Kriegsschiff gekommen. Moskau will die Briten mit Warnschüssen vertrieben haben. London dementiert – doch hinterher kam heraus, dass die Briten austesten wollten, ob und wie weit sie Richtung Krim vordringen können. Wie üblich geht es darum, Russland in die Schranken zu weisen und den Atlantik zu schützen, der allerdings ziemlich weit weg ist…

Was fehlt

Das grüne Licht für die Agrarreform. Künftig sollen 25 Prozent der Direktzahlungen an Umweltprogramme – so genannte Eco-Schemes – geknüpft werden. Das Parlament hatte 30 Prozent gefordert, konnte sich aber nicht durchsetzen. Die EU-Kommission sprach dennoch von einem „Schritt in die richtige Richtung“. Das sehen Kritiker allerdings völlig anders. Die Agrarpolitik trage zu wenig zum Klimaschutz bei, hatte der Europäische Rechnungshof schon vor der Einigung kritisiert. Mit der Reform lege Brüssel nun auch noch „den Rückwärtsgang“ ein, bemängelt der WWF. Die neuen Regelungen entsprächen nicht dem European Green Deal, mit dem die EU bis 2050 klimaneutral wirtschaften will. Auch der nationale deutsche Plan ist nicht sehr grün…