Giftgas: Was Merkel und Macron verschweigen

Sie hätten unabhängige Ermittlungen abwarten können. Stattdessen klagen Kanzlerin Merkel und Frankreichs Macron Russland an, am Giftgas-Anschlag auf einen Ex-Spion schuld zu sein. Dabei verschweigen sie einen wichtigen Fakt.

Es geht um die Frage, ob Russland überhaupt noch über das fragliche Giftgas Novitchok verfügt, das beim Anschlag eingesetzt worden sein soll. Macron und Merkel schreiben dazu folgendes:

Das Vereinigte Königreich hat seinen Partnern gegenüber im Detail dargelegt, dass Russland mit hoher Wahrscheinlichkeit die Verantwortung für diesen Anschlag trägt.

Wir teilen die Einschätzung des Vereinigten Königreichs, dass es keine plausible alternative Erklärung gibt, und stellen fest, dass Russlands Weigerung, auf die berechtigten Fragen der Regierung des Vereinigten Königreichs einzugehen, einen zusätzlichen Anhaltspunkt für seine Verantwortlichkeit ergibt.

Wir rufen Russland auf, zu allen Fragen Stellung zu nehmen, die mit dem Anschlag in Salisbury verbunden sind. Russland sollte insbesondere das Novichok-Programm voll umfänglich gegenüber der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) offen legen.

Damit räumen Merkel und Macron nicht nur ein, dass sie keine eigenen Erkenntnisse haben. Sie verweisen auch auf die OVCW, die nun Nachforschungen über “das Novitchok-Programm” anstellen soll.

Doch woher wissen sie, dass es überhaupt noch existiert? Offenbar haben unsere Staats- und Regierungschefs eine offizielle Erklärung der OVCW von September 2017 übersehen. Darin hieß es:

OPCW Director-General Commends Major Milestone as Russia Completes Destruction of Chemical Weapons Stockpile under OPCW Verification

Zu gut deutsch: Die Giftgas-Experten haben festgestellt, dass Russland seine Bestände an Giftgas zerstört hat. Nun könnte man natürlich einwenden, seither könne neues Material produziert worden sein.

Doch zumindest müsste man die Öffentlichkeit darüber informieren, dass die Experten bereits eine Prüfung vorgenommen haben – und dass sie keine Anhaltspunkte für ein Novitchok-Programm lieferte.

Bekannt ist zudem, dass das Programm im heutigen Usbekistan lief, und dass alte Rest-Bestände in allen ehemaligen Sowjetrepubliken gelandet sein könnten. Zum Beispiel in der Ukraine.

Die abtrünnige Republik hätte ein mindestens ebenso starkes Motiv wie Russland, das Giftgas einzusetzen – um Moskau zu schaden. Aber auch nach UK geflüchtete Oligarchen kommen infrage.

Wir wollen nicht weiter spekulieren. Halten wir nur fest, dass Merkel und Macron einen wichtigen Fakt verschweigen – und in ihrem Brief Mutmaßungen anstellen, die nicht von Fakten unterlegt sind…

P.S. Auffällig ist auch, dass Merkel und Macron in diesem Fall blind auf May vertrauen. Sobald es um den Brexit geht, mißtrauen sie ihr zutiefst… Zuletzt war der Streit um den EU-Austritt sogar eskaliert, siehe hier