Geschichten aus dem Hinterzimmer

Warum muß der mächtigste Strippenzieher von Brüssel, Martin Selmayr, gehen? Und wer verhalf Ursula von der Leyen zu ihrer Wahl? Noch wurden nicht alle Geschichten aus dem Hinterzimmer erzählt. Hier eine besonders pikante Version.

Sie stammt, wie so oft, von Jean Quatremer – also dem französischen Journalisten, der schon die handstreichartige Beförderung Selmayrs zum Generalsekretär der EU-Kommission vor einem Jahr aufgedeckt hat. Seine Version geht so:

  • Auch im Personalpoker um die Nachfolge von Kommissionschef Juncker soll Selmayr eine zentrale Rolle gespielt haben, schreibt Quatremer. Der deutsche Jurist habe sich aufgeführt, als sei er ein Staatschef.
  • Beim EU-Gipfel am 30. Juni habe er versucht, den von Kanzlerin Merkel favorisierten Niederländer Timmermans madig zu machen, um stattdessen den Kroaten Plenkovic an die Macht zu bringen.
  • Als sich die Chefs für von der Leyen entschieden, soll es Selmayr gewesen sein, der ihr Übergangsteam in der EU-Kommission zusammenstellte. Angeblich war es miserabel, die CDU-Politikerin wurde schlecht beraten.
  • Um ein Scheitern der ungeschickt agierenden deutschen Kandidatin zu verhindern, hätten sich in letzter Minute die Regierungen in Berlin und Paris eingeschaltet – und ihr beim Schreiben ihrer Rede geholfen.
  • Dennoch gab es weiter Vorbehalte gegen die “deutsche Kommission”. Von der Leyen zog die Notbremse und erklärte, in der Chefetage der Brüsseler Behörde sei nur Platz für eine Deutsche – Selmayr mußte gehen.

Wie immer bei diesen Geschichten aus dem Hinterzimmer muß man vorsichtig sein. Quatremer nennt keine Quellen und liefert keine Belege. Doch bisher waren seine Infos über Selmayr zuverlässig und zutreffend.

Besonders spannend finde ich die Behauptung, dass Berlin und Paris der künftigen EU-Chefin bei ihrer Rede die Hand geführt haben. “D’où la qualité exceptionnelle de son discours” – deshalb war ihre Rede so ungewöhnlich gut!?

Wenn das stimmt, dann wäre sie noch abhängiger, als gedacht – sogar ihre Sätze wären ferngesteuert. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass Kernaussagen jederzeit zurückgezogen werden könnten.

Denn Hinterzimmerpolitik verpflichtet nur den, der sich von ihr (ver-)führen lässt…

Siehe auch “Schlecht gewählt” und “Links blinken, rechts fahren?”

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