Schlecht gewählt

Sie ist keine schlechte Wahl, doch sie wurde verdammt schlecht gewählt: Mit Ursula von der Leyen wird die EU-Krise weitergehen. Sie könnte sich sogar noch ausweiten.

Seien wir mal ehrlich: Es hätte schlimmer kommen können. Im Vergleich zu José Barroso und Jean-Claude Juncker – den beiden letzten Kommissionschefs – ist Von der Leyen gar keine so schlechte Wahl.

Margrethe Vestager wäre zwar besser gewesen. Besser wäre es auch gewesen, erst einmal das Europaparlament arbeiten zu lassen, statt es mit einer Kandidatin aus dem Hinterzimmer zu überrumpeln.

Doch das war mit Ratspräsident Donald Tusk , Kanzlerin Angela Merkel und den anderen EU-Chefs nicht zu machen. Sie haben den Machtkampf mit dem Parlament gesucht – und gewonnen.

Von der Leyen hat aus dieser unmöglichen Ausgangslage (“Mission impossible”) noch das Beste gemacht. Ihre Bewerbungsrede im Europaparlament war gut, wie sogar einige Grüne einräumen.

Und dennoch: Die erste Kommissionspräsidentin – und die erste Deutsche in diesem Amt seit Walter Hallstein – ist schlecht gewählt, verdammt schlecht sogar. Hier sind die Gründe:

  • Sie hat keine Hausmacht. Alle deutschen Parteien – außer CDU und CSU – stimmten im Europarlament gegen sie: SPD, Grüne, Linke und die AfD. Nicht einmal Kanzlerin Merkel wollte sich bei der Nominierung zu ihr bekennen – sie schob Frankreichs Präsident Macron vor.
  • Sie hat eine schwache Basis im Parlament. Das Wahlergebnis war knapp, die Wahl hat die Konservativen geärgert und die Sozis gespalten. Eine “pro-europäische Mehrheit” hat es nicht gegeben, die Grünen waren raus, dafür dürften etliche Rechte für VdL gestimmt haben.
  • Sie hat jede Menge Versprechen gemacht, die im Rat – der Vertretung der EU-Länder – keine Mehrheit finden werden. Durch ihre schwache eigene Basis in Berlin und Straßburg wird sie jedoch völlig abhängig vom Rat sein – und dort vor allem von Macron und Orban.

Meine Prognose ist daher, dass die EU-Krise weitergeht. Die Führungskrise ist nicht gelöst – denn noch führt Von der Leyen nicht. Ob sie es überhaupt führen kann, muß sich erst noch zeigen.

Der Richtungsstreit geht auch weiter. Die neue Chefin steht zwar für “mehr Europa”, doch Deutschland will weniger Geld geben, Osteuropa und Italien werden sich ihr in den Weg stellen.

Und dann wäre da noch die Vertrauenskrise – sie könnte noch schlimmer werden. Niemand hat VdL bei der Europawahl gewählt, das Vertrauen der Bürger in die EU dürfte weiter schwinden.

Ausgerechnet in ihrer Heimat Deutschland überwiegt schon jetzt das Mißtrauen. Aber psst, über die alten Affären und Skandale spricht man nicht….

Siehe auch “Links blinken, rechts fahren?” und “Affären der deutschen Kandidatin? Psst, darüber spricht man nicht”