Georgien und die EU: Schreckgespenst Russland
Unruhe in Georgien: Wenige Monate, nachdem die EU das Land zum Beitrittskandidaten erklärt hat, wächst die Sorge vor einer angeblichen Drift nach Russland.
Wird Georgien jetzt russisch? Dies ist das Schreckgespenst, das die georgische Opposition aufbaut.
Anlass ist das so genannte “russische Gesetz”, mit dem ausländische Organisationen und Mitarbeiter von NGO erfasst werden sollen, um etwaige Einmischung transparenter zu machen.
Ähnliche Gesetze über “foreign agents” gibt es in Russland, aber auch in den USA. Sogar das Europaparlament hat ein Gesetz gegen “Einflussnahme aus dem Ausland” beraten.
Dennoch fordert die EU nun, Georgien müsse den Entwurf zurückziehen – sonst könne das Land nicht Mitglied werden.
Die Einmischung aus Brüssel hat aber nicht viel gebracht: Das Parlament in Tiflis hat das Gesetz am Mittwoch in 2. Lesung gebilligt.
Ein Anschluß an Russland steht aber nicht bevor. Dennoch wird die “russische Gefahr” weiter beschworen – vor allem von Anhängern der EU.
Einige besonders eifrige “EU-Freunde” versuchten sogar, das Parlament zu stürmen…
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P.S. Nach neuerlichen Massenprotesten hat das Parlament in Georgien eine für Donnerstag geplante Plenarsitzung abgesagt. Die Parlamentsverwaltung teilte mit, an dem Gebäude seien während der Demonstrationen am Mittwoch Schäden entstanden. Die EU verurteilte die georgische Polizei, jedoch nicht die Demonstranten, die das Parlament stürmen wollten…
So sieht übrigens "friedlicher Protest" in Georgien aus. Das ist der Eingang zum Parlament. Wisst ihr noch, als 2020 alle Medien und Kartellparteien über einen "Sturm auf den Reichstag" hyperventilierten, weil ein paar Hanseln die Treppen vorm Reichstagsgebäude hochgelaufen sind? https://t.co/yvpY3vlzqi
— Plebejer 🕊️ (@realPlebejer) May 2, 2024
Karl
3. Mai 2024 @ 10:15
Nach dem Bericht eines Osteuropa-Kundigen in der Berliner Zeitung sehen die Demonstranten selber den Sturz der Ukraine-Regierung durch den Maidan als ihr Vorbild für Georgien heute. Das Beitrittsangebot der EU hat das Land gespalten: https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/geopolitik/proteste-in-georgien-eskalieren-es-gibt-kein-zurueck-mehr-li.2211293?id=d968a1c7c7de4eb4b486945c9db49e68Meine Wertung: In Georgien gibt es keinen Landesteil, der mit der Westukraine vergleichbar ist, weshalb ich mir eine Bürgerkriegs-Spaltung nach dem Muster des Maidan nicht vorstellen kann. Darüber hinaus muss die EU die Frage nach ihren Regeln beantworten: Sind die ‚Kopenhagener Kriterien‘ und die Regeln der OSZE stillschweigend außer Kraft gesetzt? Wer oder was soll künftig die EU zusammenhalten?
umbhaki
2. Mai 2024 @ 22:16
@ebo schreibt sehr richtig, dass die USA und auch Europa recht ähnliche Gesetze haben wie Russland und nun wohl auch Georgien. Da möchte ich auf die Zeitschiene hinweisen:
Das entsprechende US-Gesetz („FARA“) stammt aus dem Jahr 1938 und hatte ursprünglich deutsche NAZI-Propaganda im Fokus. Im Jahr 1966 wurde es überarbeitet und hat seinen heute gültigen Charakter bekommen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Foreign_Agents_Registration_Act
Russland hat dieses US-Gesetz – wie böse Zungen behaupten – mehr oder weniger abgeschrieben und ins Russische übersetzt. Das aber geschah erst im Jahr 2012 mit einer Verschärfung im Jahr 2022(!).
https://de.wikipedia.org/wiki/Gesetz_%C3%BCber_%E2%80%9Eausl%C3%A4ndische_Agenten%E2%80%9C_in_Russland
Ganz allgemein habe ich häufig den Eindruck, dass man russischerseits so peu á peu gesetzliche Fragwürdigkeiten aus dem „Westen“ übernimmt. Das sind bisweilen Retourkutschen, wie mir das vorkommt.
Die entsprechende europäische Regelung ist ja recht neu, von Mitte 2023. Hier ist das schlicht ein Bestandteil der immer konsequenter vollzogenen Ausgrenzung alles Russischen.
Fun fact: Gerade heute Abend erst habe ich im WDR-Regional-Fernsehprogramm einen bitterlich barmenden Beitrag gesehen, in dem es um muslimische Internet-Influencer ging, die vornehmlich junge Leute auf die Seite des IS und vergleichbarer Banditen ziehen wollen. Dagegen, so lernte ich heute Abend, scheint kein Kraut gewachsen zu sein. Die oben von @ebo verlinkte EU-Entschließung scheint offenbar nur gegen russsische Propaganda zu wirken – bzw. wirken zu sollen.