Georgien ignoriert EU-Warnung – Wird die Regierung gestürzt?
Pleite für die EU: In Georgien ist das umstrittene Transparenz-Gesetz in Kraft getreten – trotz massiver Warnungen aus Brüssel und Berlin. Was nun?
Parlamentspräsident Schalwa Papuaschwili unterzeichnete das sogenannte “Foreign Agents”-Gesetz, das mehr Transparenz bei NGOs und ihren ausländischen Finanziers bringen soll.
Das Gesetz schreibt vor, dass Organisationen, die mehr als ein Fünftel ihrer Finanzmittel aus dem Ausland erhalten, sich als “Agenten ausländischer Einflussnahme” registrieren lassen müssen.
Die EU, aber auch die Bundesregierung hatten vor der Verbschiedung gewarnt. Damit entferne sich Georgien vom “europäischen Pfad”, hieß es in Brüssel und Berlin. Auch von möglichen Sanktionen war die Rede.
Wenn die EU-Politiker konsequent wären, müssten sie den Vor-Beitrittsprozess nun auf Eis legen. Doch das wollen sie nicht – schließlich gilt es, das Land an den Westen zu binden. Es geht um Geopolitik!
Wenn sie sich an den USA ein Beispiel nehmen, dann könnten sie auch Sanktionen verhängen. Damit riskieren sie allerdings, viele Georgier vor den Kopf zu stoßen – auch das würde die Annäherung erschweren.
Offenbar wird nun eine dritte Variante erwogen: Es gelte, eine “neue politische Realität” in Georgien zu schaffen, erklärte die EU-treue Staatspräsidentin Salome Surabischwili.
Sie will vor der Parlamentswahl im Oktober ein schlagkräftiges Wahlbündnis bilden – und so die Regierung stürzen. Die Parallelen zum Euro-Maidan werden immer deutlicher…
…wobei es in Georgien immerhin die Möglichkeit gibt, die Regierung auf demokratischem Wege loszuwerden. Man kann nur hoffen, dass es auch friedlich bleibt!
Karl
6. Juni 2024 @ 08:54
Was wirklich hinter den Maidan-Protesten (Ukraine) steckt
Katrina van den Heuvel, James Carden. 10 Jahre später: Was wirklich hinter den Maidan-Protesten steckt (23.02.24) -> https://www.telepolis.de/features/10-Jahre-spaeter-Was-wirklich-hinter-den-Maidan-Protesten-steckt-9636797.html
Max Jones. Der Putsch auf dem Maidan ist keine Verschwörungsphantasie (14.03.2024) -> https://www.infosperber.ch/politik/welt/der-putsch-auf-dem-maidan-ist-keine-verschwoerungsphantasie/
Maidan-Scharfschützen schossen aus dem Hotel Ukraina. / enthält Interview mit Ivan Katchanovski (21.02.2024) -> https://multipolar-magazin.de/artikel/katchanovski-maidan-scharfschutzen
Christian Müller. Senator John McCains Aufruf in Kiev bleibt unvergessen (26.08.2018) -> https://www.infosperber.ch/politik/welt/senator-john-mccains-aufruf-in-kiev-bleibt-unvergessen/
Kleopatra
6. Juni 2024 @ 06:00
Was haben Sie gegen den Euro-Maidan? Nachdem jahrelang über die EU-Assoziation der Ukraine verhandelt worden war und viele Ukrainer damit Hoffnungen verbunden hatten, ist doch nachvollziehbar, dass es zu Protesten kam, nachdem Janukovyč auf Anweisung Russlands plötzlich beschloss, den Vertrag doch nicht zu unterzeichnen. Und nachdem Janukovyč die Fliege gemacht und sich zu seinem russischen Herrchen begeben hatte, musste das ukrainische Parlament die Situation irgendwie klären. Die Lösung, einen Übergangspräsidenten zu wählen und Präsidentschaftswahlen anzusetzen, ist überzeugend.
Oder soll hier die offizielle russische Version vertreten werden, nach der hier die bösen USA eine Vasallenregierung eingesetzt hätten, und überhaupt hinter allem die CIA steht?
ebo
6. Juni 2024 @ 09:25
Woher kennen Sie die “offizielle russische Vision”? Ich kenne sie nicht.
Die historische Parallele bezieht sich auf den möglichen Sturz der Regierung. Und auf mögliche Folgen – Gewalt, Bürgerkrieg, Krieg. Dass die Gegner des Agenten-Gesetzes versucht haben, das Parlament zu stürmen, ist kein gutes Omen.
Kleopatra
6. Juni 2024 @ 13:24
Die russische Führung scheint so sehr von der Möglichkeit zur Manipulation politischer Prozesse überzeugt zu sein, dass sie hinter jedem Protest, Wahlergebnis etc., das nicht ihren Wünschen entspricht, regelmäßig den Einfluss des bösen kollektiven Westens sieht, und das schließt die russische Sicht auf den Euromaidan ein.
Einen Bürgerkrieg kann ich in der Ukraine nicht sehen, nur militärische Aktionen russischer Truppen und Freischärler. Den Krieg hätte Russland nicht anzufangen brauchen, und wenn es ein Staat ist, der sich berechtigt fühlt, in angrenzenden Staaten militärische einzugreifen, dann ist das Grund zur Aufrüstung, nicht zur vorauseilenden Kapitulation vor russischen Wünschen.
ebo
6. Juni 2024 @ 13:44
Schauen Sie mal „Ukraine im Feuer“ des amerikanischen Regisseurs Oliver Stone. Dieser erzählt die Geschichte des Euromaidan anhand von Zeitzeugen – die USA spielen eine prominente Rolle.
exKK
6. Juni 2024 @ 15:06
Ach, hat der Westen sich in das Handeln der im übrigen völlig demokratisch gewählten und legitimen Regierung in Kiew 2013/2014 durch aktive Unterstützung und Anheizung der Maidan-Proteste (die im übrigen nur von gemessen an der Gesamtbevölkerung wenigen Ukrainern vornehmlich aus der Westukraine ausgingen) eingemischt – oder Putin?
Stef
6. Juni 2024 @ 15:16
“Die russische Führung scheint so sehr von der Möglichkeit zur Manipulation politischer Prozesse überzeugt zu sein, dass sie hinter jedem Protest, Wahlergebnis etc., das nicht ihren Wünschen entspricht, regelmäßig den Einfluss des bösen kollektiven Westens sieht, und das schließt die russische Sicht auf den Euromaidan ein.”
Ja, das ist bei den USA genauso, wie Russiagate jüngst eindrucksvoll belegt hat. Das ist ein Phänomen imperialer Denke, besser gesagt Paranoia. Und diese Denke nimmt bei uns aktuell auch stark zu, hier wird Kritik an der Regierungspolitik zunehmend mit feindlicher Einflussnahme gleichgesetzt.
Wollen Sie das Antlitz des Bürgerkriegs in der Ukraine sehen, müssen Sie nur die Augen aufmachen und z.B. das Massaker am Gewerkschaftshaus in Odessa betrachten.
Es ist ein ganz besonders tragischer Aspekt am Schicksal der Ukraine, dass dieses Land zwischen Ost- und Westorientierung steht und sich diese Ambivalenz in Sprache, Kultur und Zugehörigkeitsgefühl der ukrainischen Bevölkerung wiederspiegelt. Wir wussten das vorher und wir haben dies mit unserer Politik (inklusive der üblichen CIA-Operationen) zu einem Bruch geführt. Wäre die Nato ein Verteidigungsbündnis und die EU eine Friedensunion, hätte man den Beitritt der Ukraine kritisch ins Verhältnis zum Spaltungspotenzial gegenüber denjenigen Bevölkerungsgruppen setzen müssen, die vor dem Maidan Janukovic zur Mehrheit verholfen haben.
Im Osten und Süden der Ukraine leben sehr viele Menschen, die sich unter keinen Umständen mit einer ausschließlich nach Westen orientierten Ukraine anfreunden wollen, weil sie damit auf das Abstellgleis des Zonenrandgebiets geschoben würden. Da haben Sie den Kern des Bürgerkriegs.
Am Ende macht es schilcht keinen Sinn, Russland seinen Imperialismus vorhalten zu wollen, während man den USA als dem Mutterland des Imperialismus im 20ten und 21ten Jahrhundert den Rücken freihält. Entweder Sie kritisieren den Imperialismus universell oder Sie sind unglaubwürdig.
exKK
6. Juni 2024 @ 16:02
“Es ist ein ganz besonders tragischer Aspekt am Schicksal der Ukraine, dass dieses Land zwischen Ost- und Westorientierung steht und sich diese Ambivalenz in Sprache, Kultur und Zugehörigkeitsgefühl der ukrainischen Bevölkerung wiederspiegelt.”
Ja, man hätte sich mit dem Zerfall der UDSSR Gedanken machen sollen, ob nicht wie am Beispiel der CSSR eine Aufteilung der Ukraine in zwei Staaten eine gedeilichere Zukunft im Innern und keine von Gewalt begleitete Spaltung verheissen hätte. Auch bezüglich der Krim, die ja damals noch keine 40 Jahre Teil der Ukraine war, und dem russischen Scharzmeerhafen Sewastopol hätte es viele Spannungen von vornherein vermieden.
Kleopatra
6. Juni 2024 @ 19:15
Es wäre in der Tat besser gewesen, Russland hätte wie Tschechien die staatliche Selbstständigkeit und das Territorium seines Nachbarstaates akzeptiert. Was die Krim betrifft, sind ja nicht Russen, sondern die Krimtataren am ehesten die einheimische Bevölkerung (unter Stalin vertrieben, durften erst inter Gorbatschow wieder zurück), und die kommen mit der Ukraine gut zurecht, werden aber von der russischen Besatzungsmacht schlecht behandelt.
Helmut Höft
4. Juni 2024 @ 09:00
Es wurde schon in LostinEUrope verlinkt, die Sache mit dem FARA. Detaillierter:
„Das erste einschlägige Gesetz wurde 1938 in den USA beschlossen,
um die Nazis zu bekämpfen. Es stand auch Pate für ein Gesetz in
Russland, weshalb in Georgien vom “russischen Gesetz” die Rede ist.“
(s. hier https://www.hhoeft.de/mythos/index.php/2024/05/27/zwischenruf-25052024-medien-aka-propaganda/)
Im Zweifel: USA … äh „Geopolitik“ – aka Machtintressen gegen den Rest durchsetzen – geht vor! Siehe bspw. auch hier thematisiert: „West votes against rest of world, supporting illegal sanctions in UN Human Rights Council“ https://geopoliticaleconomy.com/2024/04/06/west-vote-rest-un-human-rights-council-sanctions/
european
3. Juni 2024 @ 14:51
Allein der Titel: Georgien ignoriert EU-Warnung. Wie koennen sie es wagen, die Georgier…
Im Netz kursieren Videos von Interviews mit dem georgischen Ministerpraesidenten, in denen er ganz klar aussagt, dass USA/Nato seit 2002 versuchen in Georgien eine neue Front gegen Russland aufzubauen. Weiterhin macht er die NATO-Expansion fuer den Krieg in der Ukraine verantwortlich.
Der Mann hat Augen im Kopf und weiss genau, was seinem Land bluehen wird, wenn er sich auf diese faulen Deals einlaesst.
Skyjumper
3. Juni 2024 @ 14:42
“Sie will vor der Parlamentswahl im Oktober ein schlagkräftiges
Wahlbündnis bilden – und so die Regierung stürzen. Die Parallelen zum
Euro-Maidan werden immer deutlicher…”
Man muss wohl abwarten was am Ende tatsächlich in den nächsten Monaten in Georgien passiert. Läuft es aber so ab wie zitiert, also ein Wahlbündnis bilden, Wahlwerbung machen und ggf. die Wahl gewinnen um die amtierende Regierung absetzen zu können, wäre das zunächst eben kein Euro-Maidan, sondern ordentliche, demokratische Arbeit am Wähler.
Das es dabei dann natürlich auch auf die Details ankommt – welches westliche NGO stiftet wieviel und macht welche Werbung – wäre dann erst der 2. Teil der Bewertung. Und wenn die Georgier sich für nen Lolli und nen Kugelschreiber kaufen lassen wollen. Zahlen sie halt hinterher die (politische) EU-Rechnung.
Und gerechter Weise muss man auch sagen, dass der EU-Beitritt für den kleinen Normalbürger der osteuropäischen “Neu-EU’ler” wirtschaftlich ein Gewinn war. Ob Polen oder Ungarn, Rumänien oder Bulgarien. Der wirtschaftliche Kuchen ist so sehr angewachsen dass selbst für die Benachteiligten in der Regel was übrig blieb.
european
3. Juni 2024 @ 14:59
Zum letzten Abschnitt hat Flassbeck schon sehr viel gesagt und geschrieben. Der “Erfolg” dieser Laender liegt sehr oft einfach nur in der Abwanderung. Betrifft uebrigens auch die baltischen Staaten. Gerade Bulgarien ist das Land mit der hoechsten Abwanderung der Welt, so Flassbeck.
Das mag fuer das Individuum vielleicht ein Gewinn sein, fuer die Gesellschaften und deren Entwicklung ist es keine Verbesserung, weil die Laender kein tragfaehiges oekonomisches Modell haben. Sie sind Billiglohnlaender fuer andere, aber es werden andere Laender folgen, die noch billiger sind.
Skyjumper
3. Juni 2024 @ 14:24
Ich stimme Ihnen da ja durchaus zu. Deshalb die Unterscheidung zwischen der „politischen Rechnung“ und der Überspitzung dass sich die Wähler für nen Lolli und nen Kugelschreiber kaufen lassen.
Andererseits kann man es der Einzelperson kaum verwehren oder übel nehmen dass sie/er eben das individuell beste möchte. Und da weniger an das Land denkt welches ja auch in der Regel lange Zeit wenig dafür getan hat dass es dem Invidium wirtschaftlich besser geht.
Ute Plass
4. Juni 2024 @ 14:59
Für viele Individuen ist das kein Gewinn.
Liliana Corobca, eine moldauisch-rumänische Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin hat darüber eine sehr berührende „Geschichte“ verfasst:
Im Buch, das im rumänischen Original „Kinderland“ heißt, und das bei uns unter dem Titel „Der erste Horizont meines Lebens“ erschienen ist, stehen die verlassenen moldawischen Kinder im Mittelpunkt.
exKK
3. Juni 2024 @ 15:32
“Der wirtschaftliche Kuchen ist so sehr angewachsen dass selbst für die Benachteiligten in der Regel was übrig blieb.”
Und wenn es so weitergeht, dann folgt auf die Brosamen die Rekrutierung für den Krieg gegen Russland.
Arthur Dent
4. Juni 2024 @ 14:04
“Ob Polen oder Ungarn, Rumänien oder Bulgarien.” – keines der Länder hat den Euro als Währung. Warum nicht, Plen ist schon seit zwanzig Jahren in der EU? Wenn es den Menschen in Bulgarien und Rumänien so gut geht, warum wandern sie dann aus? Oft nach Deutschland – die genannten Länder erhalten Devisen durch Remittances der Ausgewanderten.
Skyjumper
4. Juni 2024 @ 17:31
Ich verstehe was Sie meinen. Aber ist das kein Gewinn für die Auswanderer? Vor dem EU-Beitritt konnten sie das nicht, oder zumindest nicht so freizügig. Stattdessen oft illegal.
Und warum die den Euro nicht als Währung haben? Nun ja, für mich liegt das auf der Hand. Den Euro einzuführen bringt keine zusätzlichen Vorteile, zieht aber sehr wohl Einschränkungen nach sich. Der Brexit war so schon eine sehr holprige Angelegenheit für GB – hätten sie ausserdem den Euro als Währung gehabt, wäre es noch weitaus komplizierter geworden.
Arthur Dent
4. Juni 2024 @ 23:59
Volkswirtschaftlich gesehen, ist des einen Freud des anderen Leid.
Warum ist die EU dann eine Währungsunion, wenn knapp ein Drittel der Mitgliedsländer keinen Wert auf den Euro legt?