Gemeinsam gegen Trump – wirklich?
Endlich einmal gute Nachrichten von der EU: Im Iranstreit stehen die Außenminister gemeinsam gegen Trump, meldet SPON. Auch die Staats- und Regierungschefs geben sich entschlossen – wirklich?
Die – ziemlich dürren – offiziellen Statements lassen tatsächlich hoffen, die EU könne das Atomabkommen mit Iran trotz des amerikanischen Ausstiegs noch irgendwie retten. Allerdings nur auf den ersten Blick.
“Wir bewegen uns in die richtige Richtung”, sagte der Iraner. Die EU-Außenbeauftragte Mogherini sprach von einem “sehr produktiven Treffen”. Doch Mogherini sagte auch etwas ganz anderes:
“Wenn ich eine Metapher benutzen darf, die am Tisch bemüht wurde: Wir alle haben einen Verwandten auf der Intensivstation und wir alle wollen ihn oder sie so schnell wie möglich herausholen.”
Der Atomdeal befindet sich also auf der Intensivstation, er braucht dringend Hilfe. Doch die EU fängt jetzt erst an, auf die Drohungen von US-Präsident Trump zu reagieren – sie war darauf nicht vorbereitet.
Und während Iran “Garantien” verlangt und diesen Wunsch mit einem Ultimatum versieht, spricht die EU nur unverbindlich von Arbeits- und Prüfaufträgen. Ob sie zum Ziel führen, bleibt unsicher.
Denn es geht um drei harte Brocken, an denen sich die EU schon früher die Zähne ausgebissen hat: die iranischen Ölexporte, die iranischen Banken und die europäischen Unternehmen, die vor US-Sanktionen geschützt werden sollen.
Die EU-Kommission soll nun Pläne ausarbeiten, wie all dies bewerkstelligt werden könnte. Das dürfte dauern. Derweil weicht Kanzlerin Merkel die “Abwehrfront” schon wieder auf.
Die transatlantischen Beziehungen hätten trotz aller gegenwärtigen Probleme überragende Bedeutung, sagte Merkel in Berlin. Nach “gemeinsam gegen Trump” klingt das nicht, oder?
P.S. Die “New York Times” scheint von der “europäischen Front” auch nicht viel zu halten. Dort spricht man etwas hochnäsig vom Versuch der “Schadenskontrolle”
Herbert Hensler
17. Mai 2018 @ 08:59
Mit der Verlagerung des Problems in die EU wird das eigene Nichtstun kaschiert,
hinterher war man es nicht. Das zögerliche Verhalten sagt uns, die Lobbyisten der Groß-Konzerne sind sich über die Auswirkungen der Trump Ankündigungen noch nicht einig.
Peter Nemschak
16. Mai 2018 @ 17:00
Merkel denkt strategisch und beurteilt nüchtern die Kräfteverhältnisse bevor sie handelt. Das gefällt mir. Andere lassen sich in ihrer berechtigten Aversion gegen Trump emotional hinreißen, statt rational ihre Interessen zu analysieren und zu verfolgen. Falscher Stolz ist ein schlechter Ratgeber. Mittlerweile ist ein Hütchenspieler (Trump) mit einem anderen Hütchenspieler (Kim) beschäftigt. Wäre die Welt ein ordentlich geführtes Gemeinwesen statt ein anarchisches System, würden beide Akteure von der lokalen Polizei aufgelesen und ins Gefängnis geworfen werden.
aawirth
17. Mai 2018 @ 16:13
Hütchenspieler wissen immerhin, was sie tun. Bei Trump kann man nicht sicher sein.
Und Kräfteverhältnisse kann man ändern. Eine gute Gelegenheit darüber nachzudenken, bietet sich gerade jetzt. Das gefiele mir. EU + CH + RU , und das Verhältnis steht auf dem Kopf. Man muss sich nur befreien wollen.