Freude am Scheitern ist besser als…
Auf dieses Interview haben wir bestimmt nicht gewartet. Kurz vor ihrem nächsten (dem wievielten?) Besuch bei Sultan Erdogan verteidigt Kanzlerin Merkel ihren Kurs – und kritisiert die “Freude am Scheitern”.
Wir wissen, schon, wer damit gemeint, ist: Ihr “Parteifreund” und großkoalitionärer Partner Seehofer, der das Scheitern des Flüchtlingsdeals prophezeit hat – und sich nun klammheimlich freut.
Wir können Seehofer sogar gut verstehen. Denn die klammheimliche “Freude am Scheitern” ist immer noch besser als (fast) alles, was Merkel im Namen EUropas treibt. Sie ist jedenfalls besser als…
- eine 180-Grad-Wende in der Flüchtlingspolitik, die ihren Namen nicht nennt (nicht wahr, Herr Gabriel?);
- Outsourcing der Flüchtlingspolitik, bei dem wir nur noch die Deppen bekommen (n’est ce pas, M. Verhofstadt?);
- eine “Politik der Flüchtlingsabwehr”, die weltweit Schule macht (so Pro Asyl-Geschäftsführer Burkhardt);
- das folgenlose Gerede von “großen Sorgen” und “öffentlicher und nichtöffentlicher” Kritik an der Türkei;
- ein als “Interessenausgleich” bemänteltes Appeasement mit einem Diktator (war da nicht mal was in München?).
Dabei gäbe es durchaus Alternativen zu Merkels Kurs. Man könnte Erdogan mit Sanktionen drohen oder endlich einmal Tacheles reden. Mit ihrem Ex-Kumpel Putin hat sie es doch auch gemacht…
kaush
22. Mai 2016 @ 19:15
Zum Regierungsstil voin merkel ein lesenswerter Gastbeitrag von Wolfgang Streeck in der FAZ:
“Merkels neue Kleider”
“Es ist Wahnsinn. Aber hat es auch Methode? Angela Merkel stützt sich auf eine Öffentlichkeit, die Sprunghaftigkeit und Kitsch hinnimmt. Anmerkungen zu einem immer befremdlicher werdenden Regierungsstil.”
“…Wendemanöver der gelernten Physikerin
Hinter alledem steht ein politisches System von opaker Geschlossenheit, zusammengehalten durch eine Unzahl von Sprech-, Denk- und Frageverboten, verteidigt von „allen demokratischen Kräften“ und zu sich selbst gekommen in einem zehnjährigen Reifungsprozess als „System Merkel“.
Sein Herzstück bildet die Herrschaftstechnik der „asymmetrischen Demobilisierung“ und die Transformation des Amtes des Bundeskanzlers in eine Art persönlicher Präsidentschaft.
Während asymmetrische Demobilisierung die Wähler anderer Parteien durch Vermeidung einer öffentlichen Auseinandersetzung mit deren Zielen vom Wählen abhalten soll, stützt sich personalisierte Herrschaft auf die Darstellung postideologischer politischer Wendemanöver als persönlicher Bekehrungserlebnisse, die die Bürger unter Anleitung der regierungsamtlichen PR-Maschinerie und mit Hilfe der mehr oder weniger regierungsamtlichen Medien mitfühlend verfolgen und diskutieren dürfen…”
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/regierungsstil-merkels-neue-kleider-14212048.html
Treffer, versenkt!
Susanne
22. Mai 2016 @ 13:55
Was fällt einem zu Merkel nach dem faz-text noch ein: nicht mehr mein FJS, nicht mehr mein Seehofer, nicht mehr meine FDP..jetzt SPD, nicht meine Grenzen, nicht mehr mein D, ….bald nicht mehr meine eu? Aber: …mein Erdogan…..nur damit diese ein Gesicht waren kann?
Brachial treten Ihre Widersprüche zu Tage.
Immerhin: Obama schätzt ihren Humor auch wenn den eu-staaten und Bürgern das Lachen im Halse stecken bleibt.
Peter Nemschak
22. Mai 2016 @ 12:55
Man könnte auch allen moralischen Bedenken zum Trotz abwarten, ob die Vereinbarung mit der Türkei dazu führt, dass weniger Flüchtlinge nach Europa kommen – ein pragmatischer Zugang.
ebo
22. Mai 2016 @ 13:01
Da haben Sie recht. Merkel müsste Erdogan nicht weiter hofieren, sondern könnte in Ruhe abwarten. Tut sie aber nicht…