Warum wir Eurobonds brauchen – Was Seehofer in Brüssel macht
Die EU-Kommission will den Euro international stärken. Vor allem im Energiesektor ließe sich die Dominanz des Dollars brechen, heißt es in Brüssel. Doch das ist Wunschdenken. Nötig wäre eine ganz andere Strategie – mit “Safe Assets”, vulgo Eurobonds.
“Der Euro sollte das politische, wirtschaftliche und finanzielle Gewicht der Eurozone widerspiegeln”, fordert Währungskommissar Dombrovskis. Dabei hat die EU-Kommission darauf kaum Einfluß.
Darüber, welche Währung verwendet wird, entscheidet der Markt. Die Brüsseler Behörde will nun aber zumindest einige historisch gewachsene Gewohnheiten beeinflussen. Sie denkt dabei an den Energiesektor.
Vor allem Russland könne seine Gasgeschäfte mehr in Euro abrechnen, so die Idee. Doch gleichzeitig setzt dieselbe EU-Kommission alles daran, die geplante neue Gaspipeline Nord Steam 2 zu blockieren – und mehr Flüssiggas aus den USA zu importieren. Das würde den Dollar weiter stärken – ein klassisches Eigentor.
Wenig Erfolg verspricht auch die Strategie, den Euro durch noch striktere Regeln krisenfester und attraktiver für internationale Anleger zu machen. Denn dafür gibt es in Europa schlicht zu wenige “Safe Assets”!
Den Zusammenhang haben jetzt zwei Ökonomen in einem Beitrag für den “Makronom” erklärt. Natürlich sei eine Welt vorstellbar, in der Dollar und Euro als die Währungen zweier großer Wirtschaftsräume Seite an Seite stehen.
Aber dafür müsste der Euroraum Ausländern ein ausreichendes Angebot an Safe Assets anbieten. Zudem müsste die Europäische Zentralbank ihre Bereitschaft und Fähigkeit demonstrieren, nicht nur ihre eigenen Banken zu stabilisieren, sondern alle Investoren weltweit, die den Euro für ihre Geschäfte nutzen. Momentan erfüllt die Eurozone keines dieser Kriterien.
Die Stabilitätskultur der EZB habe den externen (Wechselkurs) und internen (Inflation) Wert des Euros gesichert. Aber die konservative Fiskalpolitik der Eurozone bedeute, dass es nicht genug “Safe Assets” gibt, in die investiert werden könnte.
Unter anderem wegen des engen Fiskalregelwerks, das während der Winterkrise von 2011/12 eingeführt wurde, könnte die Schuldenquote der gesamten Eurozone in den nächsten fünf Jahren laut IWF-Prognosen von derzeit 85% auf 71% sinken. Der Bestand an deutschen Bundesanleihen, dem sicheren Euro-Asset Nr. 1, würde demnach auf 42% des deutschen Bruttoinlandsprodukts schrumpfen.
Um das zu ändern, müsste die EU entweder ihre Fiskalpolitik lockern – oder selbst Anleihen begeben, die “beliebten” Eurobonds. Denkbar wäre auch die die Einführung von „synthetischen“ Eurobonds ohne Risikoteilung.
Doch ein entsprechender Vorschlag der EU-Kommission trifft auf erbitterten Widerstand in Deutschland. Offenbar will die Bundesregierung an ihrem Quasi-Monopol als “sicherer Hafen” festhalten – und keinesfalls teilen.
Ohne eine andere Wirtschaftspolitik könne der Euro jedoch niemals eine Weltwährung werden, so die Autoren. Dies sollte die EU-Kommission vor allem gegenüber Deutschland klarmachen. Na dann, viel Spaß, Jean-Claude…
WATCHLIST:
- Seehofer kommt! Beim Treffen der EU-Innenminister in Brüssel gibt sich der CSU-Mann erstmals die Ehre. Auf dem Programm steht u.a. der Aufbau des Europäischen Grenz- und Küstenschutzes und die Reform des maroden EU-Asylsystems. Außerdem werde über “Uploadfilter gegen Propaganda” gesprochen, meldet “Netzpolitik”. Die EU plane, im Kampf gegen „terroristische Inhalte“ eine umfassende Überwachung des Internets einzuführen. Seehofer, hilf!
WAS FEHLT:
- Das Rechtsgutachten zum Brexit-Deal. Die Regierung in London wollte es geheim halten, doch nun ist es raus: Darin wird ausgeführt, dass entweder Großbritannien als Ganzes oder nur Nordirland auf unbestimmte Zeit in einer Zollunion mit der EU bleiben müssten, sollte kein Abkommen über das künftige Verhältnis zustande kommen. Genau das wollen die meisten britischen Abgeordneten unbedingt vermeiden. Die EU wußte natürlich bescheid, hat aber vornehm geschwiegen…
Peter Nemschak
6. Dezember 2018 @ 13:45
@ebo Wenn Eurobonds in ihrer Bedienung prioritär zu den nationalen Schulden werden, lässt sich möglicherweise das Prinzip der gemeinsamen Haftung leichter verwirklichen. Die Anleger werden nur dann begeistert zu greifen, wenn hinter den Eurobonds eine Budgetpolitik der Mitgliedsländer steht, welche Währungsstabilität erwarten lässt. Umverteilung via stark expansive Staatsausgaben begeistert zwar die von egalitären Vorstellungen beseelte Linke, kommt aber bei den Anlegern nicht gut an. Das gilt national wie transnational. Trotz höherer Zinsen steigt dann das Risiko der Kapitalflucht.
ebo
6. Dezember 2018 @ 14:17
Ach ja, und warum werden dann amerikanische und japanische Staatsanleihen gekauft – trotz der überbordenden Schulden?
Peter Nemschak
6. Dezember 2018 @ 15:04
Anleger trauen einer nationalen Regierung eher als dem europäischen Gebilde zu, wenn es sein muss, Steuern zu erhöhen und Ausgaben zu senken, um ggf. überbordende Defizite unter Kontrolle zu bringen. Daher braucht die EU Regeln, welche die supranational schwache Durchsetzbarkeit von Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen kompensieren. Fazit: ein starker Nationalstaat wirkt in der Wahrnehmung von Anlegern glaubwürdiger als eine supranationale Struktur mit heterogenen Interessen.
Kleopatra
6. Dezember 2018 @ 11:19
Der Euro wurde von Anfang an von den Beteiligten mit gegensätzlichen Erwartungen eingeführt. Nachträglich lässt sich das praktisch nicht mehr korrigieren, ohne dass der eine oder der andere sich übervorteilt und betrogen fühlt.
Eine Politik zur Hochstufung des Euro zu einer Weltwährung würde eine sehr mächtige EU-Zentralregierung voraussetzen (Vergleich USA). Eine solche Regierung kann in der EU nicht installiert werden, weil das gegenseitige Vertrauen ungenügend entwickelt ist (und die Interessen zu unterschiedlich). Wäre es nicht wichtiger, dafür zu sorgen, dass die Währungsunion nicht einzelne ihrer Mitglieder auf Entwicklungsländerniveau drückt?
Peter Nemschak
6. Dezember 2018 @ 11:13
Eurobonds bedeutet gemeinsame Haftung. Warum soll der deutsche und andere Steuerzahler für die Folgen der Fiskalpolitik von Italien (derzeit das prominenteste Beispiel) haften, wenn sie auf die italienische Budgetpolitik keinen Einfluss haben und daher auch nicht bereit sind diese mitzufinanzieren? Es gilt, eine Lösung für das Problem nationale fiskalische Souveränität und gleichzeitig gemeinsame Haftung zu finden. Eurobonds müssten im Insolvenzfall eines Mitgliedslandes vorrangig gegenüber den nationalen Verpflichtungen sein. Die (unrealistische) Alternative wäre ein europäischer Bundesstaat.
ebo
6. Dezember 2018 @ 11:22
Nein, Eurobonds bedeutet nicht zwangsläufig gemeinsame Haftung – das steht auch im Artikel. Es bedeutet vor allem, ein neues “safe asset” zu schaffen, das z.B. in ein Euro-Budget fließen könnte. Aber ich weiß, das ist tabu. Deutsche Bundesanleihen sollen der “Goldstandard” bleiben – damit Deutschland von seinem Sonderstatus als “sicherer Hafen” profitiert und Milliarden an Zinsen spart. Genau das erleben wir seit der Eurokrise! Und nur das ermöglicht die “Schwarze Null”…
Peter Nemschak
6. Dezember 2018 @ 12:41
Eurobonds machen für einen Anleger gegenüber nationalen Staatsanleihen nur dann Sinn, wenn sie risikoärmer als letztere sind. Das bedingt eine bedingungslose Solidarhaftung. Aus diesem Grund müssen sie zur Finanzierung von nationalen Staatsbudgets ein knappes Gut bleiben. Wer will, um ein Beispiel zu nennen, für eine expansive Budgetpolitik Italiens haften? Ab einer bestimmten Verschuldungsgrenze würden auch die Italiener mit ihrem Kapital ins Ausland flüchten statt italienische Staatsanleihen zu kaufen. Wer exzessive Umverteilung über eine expansive Budgetpolitik ablehnt, wird Eurobonds skeptisch sehen. Das gilt für Private wie für Staaten.
ebo
6. Dezember 2018 @ 13:28
Keine Sorge, italienische Anleihen finden immer noch Abnehmer – wegen der höheren Zinsen! Und wenn sie diese mit deutschen, französischen, finnischen Anleihen mischen, um z.B. ein Euro-Budget zu finanzieren, das der Stabilisierung dient (Macrons Intention) können Sie sicher sein, dass die Anleger begeistert zugreifen werden. Rein nationale Anleihen sind in einer gemeinsamen Währung ein Anachronismus.