EU wird Wahlkampf-Thema, UK droht mit Pushbacks – und Polen will keinen Exit

Die Watchlist EUropa vom 10. September 2021 –

Sie sind nach Brüssel, Warschau oder Paris gefahren, um zu zeigen, dass sie sich für Europa interessieren. Doch was sie konkret planen, haben die Kanzlerkandidaten bisher nicht verraten. Das rächt sich nun.

EUropa wird zum Wahlkampfthema – aber auf eine verquere und polemische Art. SPD-Kandidat Scholz setze die EU aufs Spiel, weil er eine “Schuldenunion” plane, behauptet CDU-Generalsekretär Ziemiak.

“Wenn Olaf Scholz in die Lage käme, so etwas umzusetzen, dann zerreißt es Europa”, warnte er. Ähnlich äußerte sich der CSU-Europapolitiker M. Weber. Eine linke Regierung würde die Trennlinien in EUropa verschärfen, behauptet er.

Der deutsche Europaminister M. Roth (SPD) hielt dagegen: “Ist das armselig. Olaf Scholz hat mit seinem französischen Amtskollegen den EU-Aufbaufonds konstruiert. Mit ihm lindern wir die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie.” 

Die Nerven liegen blank

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Der Streit zeigt, dass die Nerven blank liegen – vor allem bei der Union. Nach der Rote-Socken-Kampagne greift sie nun in die Klamottenkiste der konservativen und neoliberalen Stabilitätsfanatiker, um Schuldenangst und Neid zu schüren.

Fakt ist, dass eine Schuldenunion bereits existiert – sie wurde unter deutschem EU-Vorsitz von Kanzlerin Merkel eingeführt. Die EU darf nun Schulden aufnehmen, um die Coronakrise zu überwinden. Eine Gemeinschafts-Haftung gibt es aber nicht.

Jedes Land haftet nur gemäß seiner EU-Beiträge, auch Deutschland. Zudem sollen die Schulden in dreißig Jahren wieder abgetragen werden. Das weiß Ziemiak natürlich auch. Ihm geht es vor allem darum, Zweifel an Scholz zu säen.

Niemand hat ein klares Konzept

Der Noch-Finanzminister hat sich für eine Verstetigung der Schuldenaufnahme ausgesprochen, um die EU so unabhängig von nationalen Beiträgen zu machen. CDU/CSU wollen die Verschuldung hingegen bald wieder beenden.

Doch wie die EU ihre ständig wachsenden Aufgaben finanzieren soll, ohne die Mitgliedsbeiträge zu erhöhen, sagt Ziemiak nicht. Und wie er sich die Rückkehr zu den aktuell ausgesetzen Stabilitätsregeln vorstellt, lässt er auch offen.

In Wahrheit haben weder SPD noch CDU/CSU ein klares Konzept für die künftige EU-Finanzierung. Merkel hat mit dem schuldenfinanzierten Corona-Aufbaufonds nur Zeit gekauft. Gelöst hat sie die Krise nicht – aber das kennen wir ja von ihr...

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Die Watchlist

Wird UK demnächst Bootsflüchtlinge im Ärmelkanal nach Frankreich zurückschicken? Weil die Zahl der Migranten ständig zunimmt, droht London nun mit Pushbacks und finanziellen Sanktionen. Doch das will Paris nicht akzeptieren. Man lasse sich nicht erpressen, erklärte Innenminister Darmanin. Die Stimmung ist schon fast so aufgeheizt wie zwischen Griechenland und der Türkei…

Was fehlt

Der Streit um den “Polexit”. “Es wird keinen Austritt Polens aus der EU geben”, sagte Regierungssprecher Piotr Müller, nachdem die Spekulationen ins Kraut geschossen waren. Hintergrund ist der Streit um die polnische Jutizreform. Die EU-Kommission hatte zuletzt Finanzsanktionen gegen Polen gefordert. Doch da sich die Regierung in Warschau nicht beugen will, wird der Ruf nach einem Rauswurf lauter…