EU bildet Kriegspartei aus, Borrell redet wie ein Neocon – und Gas mit “Deckel”
Die Watchlist EUropa vom 18. Oktober 2022 –
Heute beschäftigen wir uns mit der (immer aktiveren) Rolle der EU im Ukraine-Krieg, den (merkwürdig undiplomatischen, wenn nicht gar “rassistischen”) Sprüchen von Chefdiplomat Borrell, den Plänen der EU-Kommission gegen hohe Gaspreise – sowie der neuen Rechtsregierung in Schweden.
“Wird die EU zur Kriegspartei”? Mit dieser Frage hat die “Welt” einen Artikel über die neue militärische Ausbildungsmission für die Ukraine überschrieben. Sogar “dpa” stellt die bange Frage, ob die EU zur Konfliktpartei werde.
Dabei ist sie das längst. In dem Konflikt USA-Ukraine-Russland haben die EUropäer von Anfang an Partei bezogen – für die USA und die Ukraine. Und den Krieg unterstützen sie auch – mit Waffen und Geld aus der sog. “Friedensfazilität”.
Neu hingegen ist, dass die EU nun auch für den Krieg ausbildet. Das war früher tabu, gilt nun aber als selbstverständlich. Die Pläne sehen nach Angaben von Außenministerin Annalena Baerbock vor, dass insgesamt 15 000 ukrainische Soldaten geschult werden.
“Die jüngsten willkürlichen Angriffe Russlands werden unsere Entschlossenheit, die Ukraine zu unterstützen, nicht erschüttern, sondern nur verstärken“, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach der Entscheidung für die 106,7 Millionen Euro teure Mission.
Mit weiteren 500 Millionen Euro will die EU vor allem Waffen, aber auch Ausrüstung für die ukrainischen Streitkräfte zur Verfügung stellen. Bislang wurden fünf mal je 500 Millionen Euro bewilligt – insgesamt also 2,5 Milliarden. “Die Ukraine braucht mehr Waffen – wir werden sie liefern”, sagte Borrell.
Was die Ukraine mit diesen Waffen machen darf, sagte er nicht. Denn die EU hat keinerlei Kontrolle. Dabei wäre es das Mindeste, dass die Regierung in Kiew Rechenschaft über die Verwendung des Militärgeräts ablegt und Brüssel in ihre Militärplanung einweiht.
Die US-Regierung hat dies gefordert, die EU-Politiker hingegen lassen alles klaglos geschehen. Sie tun auch nichts für eine Friedenslösung, wie das Treffen der Außenminister erneut gezeigt hat. Nicht einmal ein Kriegsziel wird definiert, also bleibt auch das Ende offen…
Europas Garten und der Dschungel
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Unklar bleibt auch, ob Borrell sich neuerdings bei amerikanischen Neocons vom Schlage eines R. Kagan inspirieren lässt. In seinem Buch “The jungle grows back” hatte sich Kagan über den “Wildwuchs” in den internationalen Beziehungen und den Machtverlust der USA beklagt.
Ganz ähnlich klang letzte Woche Borrell, als er Europa in einer Rede als “Garten” bezeichnete und anfügte: “Most of the rest of the world is a jungle, and the jungle could invade the garden.” Deshalb wird er nun heftig angefeindet, mache nennen ihn gar einen Rassisten.
Dazu befragt, tat der Spanier am Montag ganz harmlos. Er habe nur sagen wollen, dass es sich in Europa gut leben lässt, und dass man diese Errungenschaft schützen müsse. Mit den US-Neocons habe er nichts zu tun. Na dann…
Watchlist
Kommt der “dynamische” Deckel? Die EU-Kommission will am Dienstag ihre Ideen im Kampf gegen hohe Gaspreise vorstellen, der Deckel soll jedoch nur in akuten Notlagen genutzt werden. Zunächst setzt die Brüsseler Behörde wie gehabt auf die deutschen Rezepte: Sparen und gemeinsam Gas kaufen. Laut einem Entwurf, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, sollen Gasunternehmen ihre Nachfrage für mindestens 15 Prozent der vorgeschriebenen Speicherkapazität bündeln. Über diese Menge würde dann zentral mit Gaslieferanten verhandelt.
Was fehlt
Die neue Rechtsregierung in Schweden. Das schwedische Parlament hat am Montag den Konservativen Ulf Kristersson zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. Für den Vorsitzenden der Moderaten Partei stimmten 176 Abgeordnete, darunter auch solche der rechtspopulistischen Schwedendemokraten, 173 Abgeordnete lehnen ihn ab. Am Dienstag will Krisersson das Kabinett seiner Minderheitsregierung vorstellt, die von den Schwedendemokraten gestützt wird. Das Ganze ist eine Premiere für Schweden; bisher wurde das Land sozialdemokratisch regiert…
european
18. Oktober 2022 @ 19:45
Ich gestehe, ich habe darauf gewartet.
Ein aktueller Vortrag von Gabriele Krone-Schmalz mit vielen Informationen z.B. auch zum rechtsfreien Raum in den Baltischen Staaten, die in dieser Fülle sicher nur wenigen bekannt sind.
https://youtu.be/Gkozj8FWI1w
Würde in den deutschen Medien entweder gar nicht erst zugelassen oder aber anschließend medial und sozial-medial niedergebrüllt und eingestampft.
Ich habe selten so viele vernünftige Worte in einem Vortrag gehört. Absolut hörenswert.
Holly01
19. Oktober 2022 @ 07:22
Danke für den link.
KK
18. Oktober 2022 @ 12:28
Wenn Europa ein Garten ist, dann sind Rassisten und Kriegstreiber wie Borell Strassenköter, die hineinscheissen.
Thomas Damrau
18. Oktober 2022 @ 09:15
Das Bild des “Dschungels, der unseren kultivierten Garten zu überwuchern droht” ist viel älter als Kagan. Es stammt aus der Kolonial-Zeit, als die Conquistadoren Schneisen in den Dschungel schlugen – während die Eingeborenen in eben diesem Dschungel Deckung suchten und aus ihm heraus Attacken starteten. Vietman war für die USA ein “Dschungel-Trauma” (Kein Spielfilm über den Vietnam-Krieg, in dem nicht ein Trupp Soldaten im Dschungel in einen Hinterhalt gerät.) In vielen Köpfen ist das Roden des (Amazonas-)Dschungels immer noch ein Triumph der Zivilisation über die unbotmäßige Natur.
Deshalb sehe ich Borrells Äußerung als Ausdruck der Angst vor Kontrollverlust, die im Augenblick die westlichen Regierung (zu Recht) umtreibt: Die imperiale Lebensweise ( https://de.wikipedia.org/wiki/Imperiale_Lebensweise ) stößt zunehmend an ihre Grenzen. Die Natur spielt nicht mehr mit und viele Länder auf diesem Globus auch nicht mehr. Welcome to the jungle!