Gipfel der Verdrängung

Beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag werden alle kontroversen Themen ausgeklammert. Dies geht aus der Einladung von Ratspräsident Van Rompuy hervor. Die weich gespülte Agenda folgt weitgehend deutschen Wünschen – Frankreich und Italien blitzten ab. 

Dass Ratspräsident Van Rompuy einen deutschen Bias hat, habe ich schon mehrfach angemerkt, z.B. hier. Doch diesmal treibt es der Flame, der vor dem Gipfel extra zur Abstimmung nach Berlin gereist war, besonders doll.

In seiner Einladung, die Van Rompuy gestern per Twitter hinausposaunte, tauchen die Worte Finanz- oder Eurokrise an keiner Stelle auf. Auch kein einziges Krisenland findet Erwähnung.

Dabei hat Eurostat gerade festgestellt, dass die Schuldenberge wachsen – nur die  Neuverschuldung ist (leicht) geschrumpft. Und in Brüssel pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass Slowenien massive Probleme hat.

Auch der Streit zwischen EZB und EU um die Bankbilanzen und Stresstests wird nicht erwähnt. EZB-Chef Draghi fordert harte Tests und neue Staatshilfen, die EU will weiche Tests und private Bail-Ins.

Die Bankenunion wird – offenbar auf deutschen Wunsch – nur gestreift. Dabei ist der nächste Schritt, das gemeinsame Abwicklungsregime, Voraussetzung für ehrliche Stresstests und die Sanierung der Branche.

Gar nicht erwähnt werden Stichworte wie Datenschutz oder NSA. Offenbar will Van Rompuy den Parlamentsentwurf zum Datenschutz auf die lange Bank schieben, wie befürchtet (“Der Kopf stinkt”).

Auf normalen EU-Gipfeln wäre dies noch entschuldbar. Doch dieses Treffen ist der “digitalen Agenda” gewidmet – da ist es schon sehr dreist, die wichtigsten Probleme einfach auszuklammern.

Auch den Eklat zwischen Frankreich und den USA in der NSA-Affäre möchte Van Rompuy nicht ansprechen. Staatschef Hollande will sich das aber nicht bieten lassen und die Gipfel-Agenda umwerfen.

Erbost ist auch Italiens Premier Letta. Der fordert mehr EU-Solidarität nach den Flüchtlingsdramen auf Lampedusa. Doch Van Rompuy plant nur einen “exchange of views” – selbstverständlich ohne Beschlüsse.

Auch hier hat sich der Ratspräsident auf die Seite Merkels und anderer Verdrängungs-Künstler geschlagen…