“Einladung” verzweifelt gesucht
Die EU will Libyen im Kampf gegen Schlepper und „illegale“ Flüchtlinge kräftig unter die Arme greifen. Doch noch gibt es keine funktionierende Regierung – und die “Einladung” fehlt.
„Libyen ist ein Schlüsselland in der Bewältigung der Flüchtlingskrise”, sagte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die an einem Krisentreffen teilgenommen hatte.
Allerdings gebe es noch „viele offene rechtliche Fragen“. So fehle noch die “Einladung” der Regierung, damit die EU ihre Militärmission vor der Küste Libyens ausweiten kann.
Das Dumme ist, dass der vom Westen eingesetzte neue Premier selbst fest sitzt- in einem Marinestützpunkt vor den Toren von Tripolis. Er ist ein Regierungschef ohne Volk – und Raum.
Selbst wenn er wollte, dürfte er andere Prioritäten haben, als die Küstenwache auszubauen. Ihm droht nämlich Gefahr vom Land, wo sich der “IS” festgesetzt hat.
Das hindert Von der Leyen und ihre Kanzlerin freilich nicht daran, Libyen zum neuen “Schlüsselland” auszurufen. Merkel will hier denselben Flüchtlings-Deal machen wie in der Türkei… Mehr hier
Claus
20. April 2016 @ 09:36
Das wirklich „Dumme“ war die USA- / NATO-Intervention gegen Libyen in 2011 mit dem Sturz Gaddafis. Von ihm mitsamt seiner korrupten Familie war ja zu halten, was man wollte, immerhin aber kontrollierte er sein Mittelmeerufer in Bezug auf unkontrollierte Ausreisen. Und das hätte Gaddafi wohl auch weiter gemacht, und zudem preisgünstiger als Erdogan. Aber was muss nicht alles getan werden, wenn es um hegemonialen Interessen der USA, den Schutz des Petro-Dollars und Erhalt des westlichen Finanzsystems – korrigiere – die Vertreibung eines üblen Diktators und Einführung von Menschenrechten und Demokratie nach westlichen Qualitätsmaßstäben geht. Das Resultat sieht man jetzt.
Ausweitung der Militärmission vor Libyen? Wozu? Die „Flüchtlingsboote“ leck schießen und die Menschen zurück nach Libyen oder gleich nach Italien bringen? Wie oft? Und wie lange? Nach der Türkei soll nun wohl neues Wolkenkuckucksheim heuchlerischer EU-Migrationsabwehr aufgemacht werden.
Letztendlich wird es wohl nur eine wirksame Lösung gegen unkontrollierte Einwanderung in die EU und das Sterben auf dem Mittelmeer geben. Nämlich die australische. Bin gespannt, wie lange es noch dauert bis die Politik wagt, dies anzuerkennen.
Peter Nemschak
20. April 2016 @ 17:00
Alle autoritären Machthaber an der Südküste des Mittelmeers, Gaddafi inklusive, hätten das Spiel Erdogans gespielt. Somit wäre auch Gaddafi kein nachhaltiger Partner gewesen. Entwicklungshilfe, vorzugsweise mit Sach- und Personalleistungen, ist ein hehres Ziel, um die Lebensverhältnisse im Süden zu verbessern, findet aber rasch Grenzen, wenn es keine nicht-korrupten funktionierenden staatlichen Institutionen vor Ort gibt. Daher führt am Einsatz von eigener Militär- und Verwaltungsmacht der EU mit klarer humanitärer Zielsetzung kein Weg vorbei, auch wenn er unpopulär ist. Was hat Ägypten unternommen, um den Schlepperdienst von seiner Mittelmeerküste nach Italien zu unterbinden? Die ertrunkenen Somalis waren seine jüngsten Opfer. Da helfen die Komplimente Gabriels bei seinem jüngsten Ägyptenbesuch an den ägyptischen Machthaber nicht weiter.
Peter Nemschak
19. April 2016 @ 19:40
Stellen Sie sich vor, Merkel würde der EU empfehlen, auf eine Einladung gar nicht erst zu warten, sondern mit europäischen Truppen eine europäische Enklave in Libyen zu errichten und verwalten, um Migranten aufzunehmen und diesen Schutz zu bieten. Welch ein Aufschrei würde durch die Reihen der heuchlerischen und moralisierenden Öffentlichkeit gehen und die Bundeskanzlerin des Neoimperialismus und Neokolonialismus geziehen werden. Es hilft nichts, Europa muss humanitäre Ziele auch mit militärischer Macht durchsetzen und vollendete Tatsachen schaffen, wenn es von seinen Nachbarn und den anderen Großmächten ernst genommen werden will. Es geht nicht wie seinerzeit im Irak um Regimewechsel und Demokratisierung sondern um Befriedigung der legitimen europäischen Sicherheitsbedürfnisse. Die europäische Unart des Trittbrettfahrens bei den USA, welche während des Kalten Kriegs eingerissen ist, muss dringend abgestellt werden. Niemand außer wir selbst werden in Zukunft die Kohlen aus dem Feuer holen können.