Ein Jahr Krieg, der Nato fehlt Munition – und wie das Katargate “begraben” wird
Die Watchlist EUropa vom 13. Februar 2023 – Diesmal mit den Vorbereitungen auf den Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine, einem Kriegsgipfel im Ramstein-Format und News vom Korruptionsskandal im Europaparlament.
Diese Woche wird speziell. Die EU bereitet sich auf den Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine am 24. Februar vor. Doch niemand fragt, wie es zu diesem Krieg mitten in Europa kommen konnte – und ob die EU womöglich etwas falsch gemacht hat.
Auch der Wirtschaftskrieg und die Waffenlieferungen werden nicht infrage gestellt, obwohl beide nicht (wie versprochen) zu einem Ende des Krieges geführt haben. Im Gegenteil: Es soll noch mehr davon geben, dies ist DAS Thema der Woche.
Den Auftakt macht die Nato: am Dienstag treffen sich die Verteidigungsminister in Brüssel, die USA laden zudem zu einem Kriegsgipfel im Ramstein-Format ein. Auf dem Programm stehen noch mehr schwere Waffen, womöglich auch Kampfjets.
Polens Präsident Duda hat zwar erklärt, Kampfflugzeuge seien ein brisantes Thema, die Entsendung wolle wohl erwogen sein. Doch eine Absage war das nicht – Polen sucht offenbar noch Mitstreiter, die Slowakei hat schon Interesse bekundet!
Der Nato fehlt das Schießpulver
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Ein weiteres Thema ist die fehlende Munition. Allein Deutschland weise gemessen an den Nato-Vorgaben eine Lücke im Volumen von 20 Milliarden Euro auf. “Sollte Europa gegen Russland kämpfen müssen, würden einige Länder binnen Tagen ihre Munition verbraucht haben”, sagte ein europäischer Diplomat laut Reuters.
Um neue Sanktionen geht es in der EU-Kommisson und bei den Botschaftern. Noch vor dem 24. soll das zehnte Sanktionspaket fertig sein. Nach allem, was man weiß, wird es eine Art Resterampe – denn viel Neues fällt Brüssel nicht mehr ein. Der aktuelle Stand steht hier.
Hinter verschlossenen Türen räumen EU-Diplomaten sogar ein, dass die Sanktionen bisher ihre Wirkung verfehlt hätten und Russland sich besser geschlagen habe als erwartet. Aber das sei nur den hohen Energiepreisen geschuldet, schon bald soll Russland in die Knie gehen…
Zwei weitere EU-Abgeordnete in Haft
Mit dem Krieg beschäftigt sich natürlich auch das Europaparlament bei seiner Plenartagung in Straßburg. Am Mittwoch ist eine Aussprache geplant, am Donnerstag eine Resolution.
Die Abgeordneten verstehen sich aber nicht als Mahner für den Frieden, sondern spielen Cheerleader für Präsident Selenskyj, der am vergangenen Donnerstag wie ein Kriegsheld empfangen wurde.
Zudem haben sie selbst ein Problem: Korruption und Vetternwirtschaft! Am Wochenende wurden zwei weitere EU-Abgeordnete in Brüssel in U-Haft genommen.
Kassiert Weber zwei Gehälter?
EVP-Fraktionschef Manfred Weber steht unter Druck, weil er zwei Gehälter kassiert – eins als Abgeordneter, ein als EVP-Chef. Und Parlamentspräsidentin Metsola hat wenig getan, um die Affären aufzuklären.
Das will sie nun dem “special committee on foreign interference” überlassen. Es war allerdings nicht gegründet worden, um im “Katargate” zu ermitteln, sondern um Russland auf die Finger zu klopfen. So kann man sich im Ziel täuschen…
Die Linke kritisiert, dass Metsolas Vorgehen einer Beerdigung zweiter Klasse gleiche. Denn der Ausschuß zur “ausländischen Einmischung” ist nicht im (richtigen) “Film”, zudem kann er nicht selbst ermitteln…
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european
14. Februar 2023 @ 15:03
“Der Nato fehlt das Schießpulver”
Dieser Satz treibt einem doch die Lachtränen in die Augen. Einerseits laufen unsere Granden wie kopflose Hühner herum und faseln etwas vom bösen Russen bzw Putin, der uns alle überfallen und einnehmen will. Deswegen müssen wir unbedingt alle unsere Waffen in die Ukraine geben, damit die dann dort sprichwörtlich verballert werden und selbst haben wir nicht mal mehr Munition. Was machen wir denn dann? Blasrohre bauen? Pfeil und Bogen aus der Spielzeugkiste holen?
Ernsthaft? 😀
Arthur Dent
14. Februar 2023 @ 09:20
Im Handaufhalten, in der Kunst, sich selbst mit großzügigen Diäten und Pensionen zu versorgen, sind Politiker einsame Spitze. Und als Rosstäuscher. Obwohl Millionen Menschen in der EU gegen TTIP Sturm gelaufen sind, überlegt man derzeit, es wieder aus dem Gefrierschrank zu holen und durch die Hintertür einzuführen. Zur Hölle mit Umweltschutz, mit Verbraucher- und Arbeitnehmerrechten, wenn es um Big Business geht. Die EU ist ein Konstrukt für die Finanzaristokratie, für Großbanken und Großkonzerne, aber nicht für den Bürger.
Thomas Damrau
14. Februar 2023 @ 08:38
Es ist faszinierend, die Diskussion über Rüstunggüter zu verfolgen.
“Wir wollen Waffen in die Ukraine liefern.” – “Wie viele Waffen haben wir denn?” – “Da müssen wir mal Leute losschicken, die zählen gehen.”
Fragen Sie mal Amazon, wie viele Smartphones vom Typ XY es im welchem Lager hat. Da werden Sie nach 2 Minuten eine Antwort bekommen. Aber so ein Panzer kann ja schon mal in der Abstellkammer vergessen werden.
“Und funktionieren die Panzer auch?” – “Da müssen wir mal wieder den Zündschlüssel reinstecken und es ausprobieren.”
Stellen Sie sich einen Autoverleih vor, der sich im Unklaren darüber ist, welcher Teil der Flotte einsatzfähig ist.
“Wir unterstützen die Ukraine bis zum Endsieg.” – “Wie lange reichen denn unsere Vorräte?” – “Haben wir noch nicht darüber nachgedacht.”
Fragen Sie einen Produktionsleiter bei Daimler, was ihm passiert, wenn er seine Materiallogistik nicht im Griff hat.
Zusammenfassend: Das Thema Rüstung scheint mir ein sehr eigenwilliger Makrokosmos zu sein.
Nach dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts herrschte bei den Freunden der Rüstung e.V. erst mal Depression, weil sich die Sinnfrage stellte. Gottseidank gab es ja immer wieder Kriege janz-weit-draußen., die man ausstatten konnte.
Das große Aufatmen kam, als der “Woronterro” losging (“Gott segne Dich, Osama.”)
Und dann verschlechterte sich das Verhältnis zu Putin Jahr-um-Jahr (woran das White-House auch intensiv gearbeitet hat) und dann tauchte mit China endlich mal wieder ein wirklich potenter Rivale am Horizont auf (dummerweise haben das die Europäer noch nicht so ganz verinnerlicht).
In Summe: Endlich floß wieder reichlich Geld in die Rüstung – ein Billion $ pro Jahr in der NATO ist ja kein Pappenstiel. Ob das Geld sinnvoll ausgeben wurde, war dabei offensichlich zweitrangig. Solange im US-Haushalt aberwitzig viel Geld eingestellt wurde und die Europäer mit dem mystischen 2%-Ziel gefoltert werden konnten, spielte Effizien keine Rolle. Hauptsache die Kasse stimmt.
Und jetzt man kann ja nachfordern (“Gott segne Dich, Wladimir Wladimirowitsch”):
– “2% des BIP – lachhaft wenig”
– “100 Milliarden Sondervermögen – ein Tropfen auf den heißen Stein”.
– Herr Atzpodien vom Verband der Rüstungsindustrie ( https://www.deutschlandfunk.de/ruestungsindustrie-woran-hapert-es-interview-mit-hans-christoph-atzpodien-bdsv-dlf-1e9cd375-100.html ) fordert unlimitierte staatliche Abnahmegarantien.
– Frau Baerbock schwirrt in Finnland rum und schwärmt von finnischer Bunkertechnik (“Im Fall eines Atomangriffs bitte die Aktentasche über den Kopf ziehen und die Bunker aufsuchen.”)
Gruselig.