Dolchstoß und andere Legenden
Erst wirbt er für Griechenland, dann macht er es runter
Downgrading für Italien, Daumen nach unten für Griechenland: heute kommt es mal wieder ganz dick in der Eurokrise. Man sollte die schlechten Nachrichten aber mit Vorsicht genießen: Sowohl das miese Rating von Moody’s als auch der Ärger über Griechenland sind interessengeleitet. Die US-Experten aus New York und die Regierungskreise in Berlin machen offenbar gezielt Stimmung gegen den Euro.
Die EU-Kommission tat so, als sei nichts passiert: Man wolle weder das Downgrading für Italien noch die Berichte über den Reformstau in Griechenland kommentieren, sagte der Sprecher von Währungskommissar Rehn in Brüssel. Danach erging er sich in einer Eloge für Italiens Technokratenchef Monti – und kündigte an, dass die internationale Troika Ende Juli nochmal nach Athen reist, um dort “politische Fragen” zu diskutieren.
Für meinen Geschmack wäre eine offensivere Gangart angesagt. Denn die Attacken auf den Euro werden immer dreister, und die Lage immer brisanter. Die Kommission müsste dem wesentlich entscheidender entgegentreten. Das französische Wirtschaftsblatt “Les Echos” warnt schon vor den “zehn wirtschaftspolitischen Gefahren dieses Sommers” – sieben davon haben mit der Eurokrise zu tun, Italien und Griechenland stehen dabei ganz oben.
Vor allem das Downgrade für Italien könnte gefährlich werden. Denn mit der Herabstufung auf zwei Stufen über Ramschniveau und dem negativen Ausblick dürfte der jetzt schon hohe Zinsdruck auf Rom weiter wachsen. Dass Moody’s das Land ausgerechnet jetzt auf eine Stufe mit Kasachstan oder Bulgarien stellt, da Monti neue Sparmaßnahmen angekündigt hat, kommt schon einem versuchten Dolchstoß gleich.
Die US-Experten wissen nur zu genau, dass Monti kaum noch gute Optionen hat (Berlusconi läuft sich schon warm) – und dass er nicht einmal auf Hilfe aus Europa vertrauen hat, weil der neue Rettungsfonds ESM in den Seilen hängt (siehe “Warten auf Godot”). Die “kurzfristigen Maßnahmen” zur Stützung Italiens, über die auf dem letzten EU-Gipfel so viel geredet wurde, sind erst mittelfristig einsetzbar, wenn überhaupt…
Auch die Sticheleien gegen Griechenland sind brisant. Wie so oft kommen sie aus “Regierungskreisen” in Berlin, wie die “Rheinische Post” in ihrem angeblichen Enthüllungsbericht selbst zugibt. 210 von mehr als 300 Sparvorgaben seien nicht erfüllt worden, meldet das bekannt regierungsnahe Blatt aus Düsseldorf. Wirtschaftsminister Rösler trat sofort nach und behauptete, die Geduld bei der Troika neige sich dem Ende zu.
In Wahrheit geht vor allem die Geduld der Bundesregierung zu Ende, wie SPON treffend schreibt. Die Vermutung liegt nahe, dass es Rösler selbst war, der den angeblichen Troika-Bericht durchgestochen hat. Dabei sind die Aufsehen erregenden Zahlen wohl ins Reich der Legenden zu verweisen, jedenfalls weiß in Brüssel niemand etwas von 300 Sparzielen.
Was in Athen wirklich los ist, wird man wohl erst erfahren, wenn die Troika von ihrem nächsten Trio zurück ist, womöglich beim Finanzministertreffen am 20. Juli. Bis dahin sorgen solche Berichte nur für Verwirrung – und für eine weitere Verunsicherung der Märkte. Immerhin scheinen die Anleger bisher ruhig Blut zu bewahren: Bei einer Anleihenauktion in Italien fiel die Rendite heute wieder auf erträgliche Werte.
Eric B.
13. Juli 2012 @ 18:59
Tja, welches Interesse haben die Agenturen? Warum haben sie Frankreich nach dem EU-Gipfel im Dezember herabgestuft – mit der Begründung, die Beschlüsse seien nicht ausreichen – Deutschland hingegen nicht? Wieso werden die Bailoutländer immer dann herabgestuft, wenn sie das tun, was Brüssel fordert? Und warum werden sie nicht heraufgestuft, wenn sie sich Brüssel widersetzen und die konjunktur ankurbeln? Wieso steht UK besser da als Spanien, obwohl die Daten vergleichbar sind?
Manuel Müller
13. Juli 2012 @ 18:18
Nein, dass Berlusconi seinen Kopf aus dem Loch steckt, ist für sich allein sicher kein Grund für ein neues Downgrading ;-)Aber so ganz leuchtet es mir trotzdem nicht ein, was für eine Interesse die Rating-Agenturen haben sollten, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten zu schaden. (Es sei denn, die Moody’s-Mitarbeiter haben selbst auf sinkende Anleihenkurse gewettet, aber das wären dann wohl illegale Insider-Geschäfte…)Natürlich haben Bonitätsratings teilweise die fatale Wirkung einer selbsterfüllenden Prophezeiung – siehe zum Beispiel den Effekt, den die FTD hier beschreibt. Aber gerade in diesem Blog hier war ja immer wieder zu lesen, dass sämtliche bisherigen Lösungsversuche für die Euro-Krise wenig taugen; und wenn Moody’s zu demselben Ergebnis gekommen ist, dann gab es für ein Upgrading bisher einfach keinen Anlass. Das Rating ist ja kein Urteil über die Politik der italienischen Regierung (die tatsächlich tut, was sie kann), sondern nur eine Einschätzung der Wahrscheinlichkeit eines Staatsbankrotts: Und die wird nicht geringer, solange Deutschland und andere Regierungen in Brüssel jeden großen Wurf blockieren.
Eric B.
13. Juli 2012 @ 15:50
Nun ja, das Wort Dolchstoß ist natürlich nicht ganz ernst gemeint, auch wenn ich fürchte, dass das Downgrading schlimme Folgen haben kann. Bei Moody’s & Co. stellt sich aber schon die Frage, ob sie nicht bewusst versuchen, die Krise mit ihren Ratings zu verschärfen. Die Urteile kommen immer kurz vor oder kurz nach EU-Gipfeln, und jedesmal nutzen sie einen Moment der Schwäche – und nie der Stärke, denn das hätte ja womöglich ein Upgrading zur Folge. Dass Berlusconi sich wieder meldet, kann ja wohl nicht ernsthaft ein Grund sein, ausgerechnet jetzt ein neues Urteil abzugeben…
Manuel Müller
13. Juli 2012 @ 13:18
Der griechische Euro-Austritt wird nicht stattfinden. Jedenfalls wenn die griechische Regierung im Interesse der Bevölkerung handelt, die sie gewählt hat, und wenn in Deutschland und anderswo die populistische Verführung nicht zu groß wird, sich durch eine Bestrafungsaktion gegen die “Pleitegriechen” zu profilieren. Aber insgesamt bin ich doch ganz zuversichtlich, dass es FDP und CSU (zuletzt hat sich ja vor allem Alexander Dobrindt hervorgetan) bei markigem Gerede belassen werden: Schließlich wissen auch deren Politiker, dass ein Austritt am Ende die gesamte Eurozone sehr viel teurer zu stehen käme als jeder Rettungskredit. Mehr dazu hier: http://foederalist.blogspot.de/2012/07/der-griechische-euro-austritt-wird.htmlWas ich nicht ganz verstehe, ist, warum die Moody’s-Abwertung ein “Dolchstoß” sein soll. Die Rating-Agentur hat doch nur kühl berechnet, dass ein Default Italiens wahrscheinlicher wird, wenn (1) der ESM bis auf Weiteres nicht einsatzfähig ist, (2) die Konjunktur durch neue Sparmaßnahmen abgewürgt wird und (3) das (wenn auch nur entfernte) Risiko einer Rückkehr des Populisten Berlusconi besteht. Auch wenn ich es schade für Mario Monti finde, der zu den konstruktivsten Mitgliedern des Europäischen Rates zählt: Warum sollte Moody’s ein Gefälligkeitsgutachten liefern? Es ist ja nicht die Verantwortung der Rating-Agenturen, sondern der europäischen Politiker, eine funktionierende Lösung für die Krise zu entwickeln.