Die Rückkehr der Grenzkontrollen
Nach Deutschland hat auch Polen die Rückkehr stationärer Grenzkontrollen angekündigt. Die Flüchtlingskrise überfordert die EU, wieder einmal.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat wieder einmal ihre Meinung geändert – und die Vorbereitung von Grenzkontrollen angekündigt. “Wir bereiten erstmal stationäre Grenzkontrollen mit vor. Es geht um zusätzliche Kontrollen”, sagte Faeser. “Und wir müssen schauen, was das dann bringt.”
Polen reagierte verärgert. Denn die Bundesregierung hat die Kontrollen auch mit dem polnischen Visa-Skandal begründet, bei dem tausende Migranten illegal in die EU und nach Deutschland gelandet sein sollen. Die EU-Kommission prüft die Hintergründe, bisher ohne Ergebnis.
Überfordert wirkt die Brüsseler Behörde auch beim Management der neuen Flüchtlingskrise.
Die von-der-Leyen-Kommission schweigt sowohl zu den Grenzkontrollen zwischen Frankreich und Italien als auch zu neuen Checkpoints zwischen Polen und der Slowakei. Schon länger gibt es stationäre Kontrollen in Bayern an der Grenze zu Österreich.
Dabei zeigt die Rückkehr der Grenzkontrollen, dass der Schengen-Raum der unbegrenzten Reisefreiheit nicht mehr funktioniert und die Mitgliedstaaten das Heft des Handels selbst in die Hand nehmen – genau wie in der großen Krise 2015/16.
Man darf gespannt sein, ob sich die Lage rund um das Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag in Brüssel entspannt. Es sieht eher nicht danach aus…
P.S.: Nach neuen Berichten sind zusätzliche Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien geplant. Die EU-Kommission wurde davon offenbar nicht verständigt…
Katla
27. September 2023 @ 18:50
@KK: Sie stehen in der Rousseauschen Tradition (was ich teilweise vielleicht teile). Rousseau sagte aber auch, dass das gleichzeitig der Beginn/die Gründung der bürgerlichen Gesellschaft war. „Bürgerlich“ geordnete, sichere und menschenwürdige Verhältnisse halte ich persönlich für sehr angenehm und bin sehr dankbar, in einem grundsätzlich so strukturierten Land zu leben. Ich glaube, ganz „entgrenzt“ kann man nur leben, wenn man nicht das Gefühl hat, etwas wertvolles zu haben, etwas zu verlieren zu haben.
KK
27. September 2023 @ 17:10
Zugegeben, ein wenig provokant sollte es ja schon sein.
Selbstredend kann man bei der heutigen Population nicht mehr „entgrenzt“ leben – aber ohne die Sesshaftigkeit, den Überfluss an Nahrung, und letztlich den dadurch bedingten wissenschaftlichen Fortschritt (ohne Nahrungsüberfluss hätte keiner Zeit gehabt, sich grossartig um sowas zu kümmern) hätte die Population gar nicht derart anwachsen können.
Was wir jetzt erleben ist ja nur der Anfang, ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird… es wird neue Völkerwanderungen geben und Kämpfe um die elementarsten Lebensgrundlagen. Aber da bin ich hoffentlich dann raus, wenns so richtig unangenehm wird.
Arthur Dent
27. September 2023 @ 13:05
@european
Wissen Sie, wie Sie von Berlin ohne Flugzeug nach Juba (Hauptstadt Südsudan) kommen?
Wo Sie übernachten können, wo Sie etwas zu Essen bekommen?
Die umgekehrte Route scheinen viele Menschen in Afrika genau zu kennen, was mich zu der Überlegung führt, dass alles ziemlich gut organisiert ist. Von wem auch immer.
european
27. September 2023 @ 14:20
@Arthur Dent
Vor einigen Jahren gab es mal eine Doku darueber, wie lange ein Afrikaner / eine Afrikanerin unterwegs ist um es ans Mittelmeer zu schaffen. Im Schnitt 5 Jahre war das Ergebnis, denn man muss auch durch feindlich gesonnene und gefaehrliche Gebiete. Das heisst nicht, dass es nicht auch gut organisierte Schlepperbanden gibt, die sich an diesem System eine goldene Nase verdienen. Voellig richtig.
Trotzdem ist der NDS-Artikel lesens-bzw hoerenswert, weil er auf die Zusammenhaenge und Ursachen hinweist, die die Menschen in Bewegung setzen. Wenn wir Kriege fuehren, gibt es Fluchtbewegungen, die vorher berechnet werden. Wir sollten also genau hinsehen, wem wir da folgen, denn das ist die Administration, die fuer die meisten Fluchtbewegungen in Europa verantwortlich zeichnet.
Manchmal tun wir auch Dinge in guter Absicht, ohne die Auswirkungen zu bedenken. Unsere Idee, Mais fuer Biomasse zu verwenden, hat weltweit die Maispreise in die Hoehe getrieben, so dass viele Menschen in Afrika sich ihre Lebensmittel nicht mehr leisten konnten, wenn sie zukaufen mussten. Was tun, wenn es sonst nichts gibt? Man legt zusammen und schickt einen vor. Auch wird oft nicht erwaehnt, dass dieser Eine, wenn es denn nicht klappt, auch nicht mehr zurueckkommen darf, denn die Ablehnung wird als sein persoenliches Versagen ausgelegt und damit wird er aus der Familie verbannt.
Wenn Menschen keine Lebensgrundlage mehr haben, machen sie sich auf. In gewisser Weise sind wir auch Wirtschaftsmigranten. Niemand wollte in Deutschland einen erfahrenen, hoch qualifizierten Ingenieur einstellen. Also haben wir das Land verlassen und sind dorthin gegangen, wo man uns haben wollte, wo wir eine Perspektive haben. Manchmal sind die Dinge so einfach. Die Hochqualifizierten, die in die Schweiz auswandern, sind ebensolche Wirtschaftsmigranten. Sie wollen ihre eigene Situation verbessern und hoffen dort auf bessere Jobs. Viele Schweizer sind da weniger amused.
Wie schon gesagt. Ich kann die Italiener verstehen, dass es so nicht weitergeht. Das Problem sieht man in Italien an jeder Ecke, auf jedem Wochenmarkt, in jeder Strasse. Das Land hat genug eigene Probleme und Dublin hat nicht funktioniert. Ich hab keine Loesung. Schlagbaeume und Grenzen sind auch keine, weil sie nur versuchen, das Problem fuer das eigene Land unsichtbar zu machen. Aus den Augen, aus dem Sinn.
european
27. September 2023 @ 07:39
Dazu gibt es einen aktuellen und sehr passenden Kommentar auf den Nachdenkseiten:
„Die aktuelle Debatte um Flüchtlingsbewegungen verharrt bei den Symptomen. Unter den Tisch fallen die Ursachen – und da sind vor allem die Folgen von westlichen Kriegen zu nennen sowie die Folgen von westlicher Sanktionspolitik, denn diese Aspekte treiben zahllose Menschen in die Flucht. Wer die Sanktionen und Kriege – unter anderem gegen Afghanistan, Syrien, Irak und Libyen – politisch oder medial verteidigt hat, ist mitverantwortlich für die Fluchtbewegungen und könnte sich jetzt die Krokodilstränen sparen.“
https://www.nachdenkseiten.de/?p=104353
Arthur Dent
26. September 2023 @ 14:38
Ein Staat ohne (geschützte) Grenzen wird einfach zerfallen.
Die EU will oder kann offensichtlich die Außengrenzen nicht wirksam schützen.
Katla
26. September 2023 @ 18:27
Definition eines Staates im Staatsrecht: “ Ein Staat (von lateinisch „status” – Zustand) ist eine politische Einheit von Menschen (Staatsvolk), die in einem bestimmten Gebiet (Staatsgebiet) unter einer obersten Herrschaft (Staatsgewalt) leben („Drei-Elementen-Lehre”).
Das Staatsgebiet ist hierbei ein unabdingbares Kriterium, ohne Staatsgebiet kein Staat. Daraus könnte man (sehr salopp) folgern: ohne Grenzen kein definiertes Staatsgebiet, ohne Staatsgebiet kein Staat.
Und ja, nicht nur unter staatsrechtlichen, definitorischen Aspekten sind Grenzen wichtig. Ein halbwegs geordnetes menschliches Leben, Demokratie, Sicherheit, Wohlstand sind nun mal nur in einem Gemeinwesen, in denen Regeln gelten und Regeln Geltung verschaffen wird, möglich. Ohne wirksame Regeln – das sehen wir ja gerade.
KK
27. September 2023 @ 12:20
“Und ja, nicht nur unter staatsrechtlichen, definitorischen Aspekten sind Grenzen wichtig.”
Man könnte aber auch sagen, dass Grenzen der Anfang allen Übels sind – seit Beginn der Sesshaftigkeit. Vorher gab es keine – dann kamen der Landbesitz und mit ihm die ersten Grenzen.
ebo
27. September 2023 @ 12:24
Nun ja. Es fing wohl mit den Stadtmauern an. Bis zu richtigen Grenzen dauerte es noch ziemlich lange, zumindest im rückständigen deutschen Reich. Danach wurde umso verbissener darum gekämpft, bis hin zu WW 1 & 2
KK
27. September 2023 @ 13:00
Nein, nicht mit Stadtmauern – mit Grundstücksgrenzen zwischen Nachbarn.