Von der Leyens Privatflüge, Stoltenbergs Eingeständnis – und China umwirbt EUropa
Die Watchlist EUropa vom 11. September 2023
Die EU-Kommission gerät wegen der Nutzung von Privatjets unter Druck. Das Europaparlament will wissen, wie oft Kommissionschefin Ursula von der Leyen und ihre 26 Kommissare die teuren und klimaschädlichen Charterflüge nutzen.
Doch eine Anfrage der Linken-Fraktion hängt seit Monaten unbeantwortet in der Luft. Nun droht ein Eklat.
Flüge in Privatjets sorgen in Brüssel immer wieder für Schlagzeilen. Im April hatte „Politico“ enthüllt, dass EU-Ratspräsident Charles Michel mehrere Millionen Euro für gecharterte Flüge ausgegeben hat.
Im Juni teilte die EU-Kommission dann mit, dass sie trotz der Klimakrise kein Verbot von Privatjets plane.
Nun erreicht der Skandal auch Kommissionschefin Ursula von der Leyen und ihre Behörde. Denn von der Leyens Team schiebt kritische Fragen auf die lange Bank.
„Wie oft hat die EU-Kommission Privatjets genutzt. Und wie groß ist das entsprechende Budget?“ Das wollte der Linken-Politiker Martin Schirdewan bereits Ende 2022 wissen.
Doch die Antwort, die EU-Budgetkommissar Johannes Hahn fünf Monate später schickte, war unvollständig: Sie enthielt keine Details über die Flüge und keine Angaben zu den Kosten.
Ein Affront, meint Schirdewan, der als Ko-Vorsitzender die Linken-Fraktion im EU-Parlament leitet.
Auch die Chefin des Haushaltskontrollausschusses, Monika Hohlmeier (CSU), sieht Klärungsbedarf. Schließlich werden Flüge der Kommissare aus dem EU-Budget bezahlt.
Sie hakte nach und drohte, den Streit zum Thema im Ausschuss zu machen. Doch eine Deadline, die das Parlament der EU-Kommission setzte, verstrich letzte Woche ohne Ergebnis.
Nun herrscht dicke Luft in Brüssel…
Fortsetzung unten (für STEADY-Förderer)
News & Updates
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- Stoltenbergs Eingeständnis. Nato-Generalsekretär Stoltenberg hat im Europaparlament eingeräumt, dass es einen Zusammenhang zwischen der Osterweiterung und dem russischen Angriff in der Ukraine gebe. Bisher haben die Nato und die EU dies stets bestritten. Doch die Abgeordneten kümmert das nicht. – Mehr hier (Blog)
- China wirbt um EUropa. China hat für mehr Zusammenarbeit mit der EU geworben. Sein Land und Europa als zwei Haupttreiber der globalen Entwicklung sollten noch enger kooperieren, sagte der chinesische Ministerpräsident Li Qiang bei einem Gespräch mit EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen in Neu Delhi. Mehr hier (Deutsche Welle).
- „Trauer und Solidarität“ mit Marokko. Nach dem Erdbeben vom 9. September hat die EU den marokkanischen Behörden und dem marokkanische Volk ihre volle Solidarität und den Familien der Opfer unser Beileid ausgesprochen. „Wir stehen bereit, Marokko bestmöglich zu unterstützen“, sagt die EU-Kommission.
Das Letzte
Springt sie oder springt sie nicht? In Berlin mehren sich die Gerüchte, dass die prominente Linke-Politikerin S. Wagenknecht eine eigene Partei gründen könnte. Die Entscheidung soll bis zum Jahresende fallen, sagte sie dem ZDF. Damit widersprach sie einem Bericht der „Bild“, in dem es hieß, die Gründung einer neuen Partei sei bereits beschlossen. Wie dem auch sei – klar scheint, dass Wagenknecht sich gute Chancen bei der Europawahl ausrechnet. Denn weder die „alte“ Linke noch die Sozialdemokraten wagen es, offen gegen die EU-Politik im Ukraine-Krieg Stellung zu beziehen. Sie öffnen damit eine Lücke, in die eine neue Linken-Partei stoßen könnte. Das ist für mich das eigentliche Thema, nicht die personellen Querelen…
Von der Leyens Privatflüge (Fortsetzung)
Von der Leyen muß sich auf unbequeme Fragen einstellen, wenn sie am Mittwoch vor dem Europaparlament ihre jährliche Rede zur Lage der EU hält.
Es ist ihre letzte Ansprache in dieser Legislatur. Das Parlament will wissen, was aus dem „Green Deal“ und anderen großen Plänen geworden ist.
Schirdewan zieht eine kritische Bilanz. „Ursula von der Leyen und ihre Kommissare fliegen für einzelne Besprechungen durch ganz Europa, während die Mehrheit umweltbewusster leben und möglichst gar nicht mehr fliegen soll“, kritisiert er. Die Kommission predige Wasser, trinke selbst aber Wein.
Wie groß das Problem ist, lässt sich nur ahnen. Allein Ratspräsident Michel soll seit Beginn seiner Amtszeit 2019 bis Ende 2022 nicht weniger als 72-mal in gecharterten Maschinen geflogen sein. Bei den 27 EU-Kommissaren dürften die Zahlen noch höher sein.
Schriftliche Anfragen von EU-Abgeordneten müssen normalerweise nach sechs, bei dringenden Fragen sogar schon nach drei Wochen beantwortet werden. Doch die von der Leyens Team hält diese Regel kaum je ein.
Nicht nur Schirdewans Frage wurde auf die lange Bank geschoben. Abgeordnete aller Parteien klagen darüber, dass ihre Anfragen nicht oder verspätet beantwortet werden.
Auch die EU-Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly kritisiert immer wieder mangelnde Transparenz…
Mehr dazu hier.
Monika
11. September 2023 @ 15:24
Unser „genialer“ Plan uns gegen Chinas Einfluss abzugrenzen und ökonomisches „de-risking“ besteht darin:
1. uns durch Sanktionen freiwillig von den russischen Rohstoffen abzuhängen (de-coupling)
2. für Milliarden Halbleiterfirmen bei uns „anzusiedeln“ um uns von China unabhängiger zu machen, (unser Mini-Inflation-Reduction-Act)
ohne zu wissen woher
3. die zur Herstellung notwendigen Rohstoffe bezogen werden können.
Aber soetwas „ist hochkomplex“ und kann daher vom einfachen Mann nicht durchschaut werden, wenn es schon von unseren Regierungsexperten nicht gerafft wird.
Ich fordere zur Beruhigung meiner zunehmend gereizten Nerven ab und an mal ein Katzenvideo hier …
gut, den letzten Satz nehm ich zurück
ebo
11. September 2023 @ 15:27
Ohje, Katzenvideos – wenn überhauot, müssten es schon europäische Katzen sein 🙂
KK
11. September 2023 @ 09:46
In Brüssel ist der Neo-Feudalismus eingekehrt.
Die herrschende Klasse ist niemandem verpflichtet (nicht mal Gott wie noch im Feudalismus), und ein Großteil des Volkes wird immer knapper gehalten, so dass es der einstigen Leibeigenschaft schon bedenklich nahe kommt.
Wenn das Prekariat dann künftig noch die eigenen Verschmutzungszertifikate erst verkaufen muss (damit dann die Geld- und EU-Elite weiter schön Privatjets, Yachten und ihre sonstigen Luxusfetische nutzen kann), um überhaupt genug Geld zum Leben zu haben, und digital das Leben per Stromsperre und Kontenbeschränkungen jederzeit weiter beliebig gesteuert werden kann, dann ist der Schritt zurück ins feudale mittelalterliche Herr-Knecht-Verhältnis vollzogen und die französische Revolution nur ein Irrtum der Geschichte.
Thomas Damrau
11. September 2023 @ 06:25
Das Spitzenpersonal der EU bildet inzwischen eine eigene Kaste, die keine Rücksicht auf Wähler und EU-Parlament zu nehmen braucht: Die Kommission und Michel hängen vom Wohlwollen der Regierungs-Chefs der Mitgliedsländer ab. Irgendwelche Nachfragen des EU-Parlaments haben in einer solchen Konstellation allerniedrigste Priorität, dubiose Verträge mit der Pharma-Industrie werden im Zweifelsfall zum EU-Geheimnis erklärt, … (Das haben wir auf diesem Forum immer wieder diskutiert.)
Die Frage ist daher eher: Wie kommt man aus diesem Sumpf wieder raus?
– Ich befürchte, die nächsten Wahlen zum EU-Parlament werden wenig ändern. Am Ende werden die Regierungs-Chefs wieder irgendeine Kommission auskungeln – egal wie die BürgerInnen abstimmen.
– Für eine grundlegende Reform der Institutionen ist die EU ein viel zu disparater Verein: Die Visionen der einzelnen Staaten („EU=Bundesstaat“, „EU=Freihandelszone“ oder „EU=Melkkuh“) passen nicht zusammen.
– Eine Auflösung und Neugründung auf einem solideren Fundament wäre die beste Lösung – aber das wird allen Beteiligten ein zu gewagter Schritt sein.