Die “gute” Nachricht aus Brüssel: Insekten in Lebensmitteln
Doch, es gibt sie noch – die guten Nachrichten aus Brüssel. Diese Woche: Insekten in Lebensmitteln. Laut EU-Kommission ist alles halb so wild.
In der Europäischen Union sind vier Insekten als Lebensmittel zugelassen. Als erstes Insekt hatte im Mai 2021 der getrocknete gelbe Mehlwurm die Zulassung erhalten. Zuletzt hatte die Kommission per Durchführungsverordnung 2023/5 „teilweise entfettetes Pulver aus Acheta domesticus (Hausgrille)“ für den EU-Markt autorisiert. Lebensmittel, die Insekten enthalten, müssen das in ihrer Zutatenliste klar und verständlich aufführen. Auch der Hinweis, dass allergische Reaktionen bei Menschen mit einer Allergie gegen Krebs- und Weichtiere sowie gegen Hausstaubmilben möglich sind, muss in unmittelbarer Nähe der Zutatenliste aufgeführt sein. Bei der Zulassung greifen die EU-Regeln zu neuartigen Lebensmitteln.
Insekten werden in vielen Teilen der Welt regelmäßig gegessen, sie sind eine alternative Proteinquelle. In der EU müssen Hersteller für jedes Insekt, das sie auf den Markt bringen wollen, eine Zulassung beantragen, und zwar im Rahmen der Regeln zu „neuartigen Lebensmitteln“. Das sind Lebensmittel, die in der EU vor Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang konsumiert wurden. Im Rahmen der Prüfung jedes Antrags findet eine ausführliche wissenschaftliche Bewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) statt. Auch die EU-Staaten erhalten den Vorschlag der Kommission zur Zulassung eines Insekts zur Abstimmung, bevor die Kommission eine Zulassung beschließen kann.
Bisher hat die Europäische Kommission vier Zulassungen für Insekten als Lebensmittel erteilt: den Mehlwurm, die Wanderheuschrecke, den sog. Buffalowurm – sowie im Februar 2022 für die Hausgrille (Acheta domesticus) und im Januar 2023 für teilweise entfettetes Pulver aus der Hausgrille. (…) Es muss klar gekennzeichnet sein, dass ein Lebensmittel ein Insekt enthält (mit lateinischen und deutschen Namen) und auch, in welcher Form (also zum Beispiel als Pulver). Entsprechende Allergiehinweise sind ebenfalls Pflicht.
EINORDNUNG: Die Zulassung der Hausgrille erfolgte heimlich, still und leise – selbst als EU-Korrespondent, der die Arbeit der Kommission täglich verfolgt, habe ich davon nichts mitbekommen. Die meisten großen Medien haben darüber auch nicht berichtet. Es ist bezeichnend, dass kein EU-Kommissar für diese Entscheidung gerade stehen will. Sie ist unpopulär und könnte einem glatt den Appetit verderben…
Mehr hier (Pressemitteilung der EU-Kommission). Mehr gute Nachrichten aus Brüssel hier.
Annette Hauschild
21. Januar 2023 @ 09:13
Vielleicht weil die lieben Tierchen in so vielen Lebensmitteln mittlerweile enthalten sind und man sie daraus nicht mehr wegkriegt? In jeder zweiten Tüte Haferflocken aus dem Supermarkt oder Discounter, in fast jeder dritten Tüte Mehl, Reis etc sogar in Soßenpulver hatte ich sie schon.
KK
20. Januar 2023 @ 18:24
Vegetarier und Veganer könnten dann selbst beim Bäcker Probleme haben, etwas für sie passendes zu finden… und beim Italiener könnten bereits Spaghetti aglio e olio für Ungeniessbarkeit bei jenen sorgen.
Dass Bäckereiprodukte von Metzgern zwecks Gewinnmaximierung in überreichlicher Form benutzt werden, ist ja seit der Aufnahme von verzehrsfertigen Frikadellen und panierten Fleischscheiben in deren Sortiment bekannt. Davon wird aber erst mal kein Allergiker krank. Aber umgekehrt wirds dann wirklich von eklig bis gefährlich.
Im deutschen Lebensmittelrecht gabs zumindest mal die Vorschrift, dass alles, was beim Verbraucher Ekel hervorrufen könnte, nicht in den Verkehr gebracht werden darf. Wer hat eigentlich diese aktuellen EU-Kommissare in den Verkehr gebracht?
european
20. Januar 2023 @ 16:36
Was ich nicht verstehe ist die lange Liste von Produkten, einschließlich Brot, Vollkornbrötchen und sogar Eierspeisen, in denen dieses Insektenmehl verarbeitet sein wird. Wozu? Muss ich dann an der Bäckertheke extra nach Vollkornbrötchen ohne Mehlwurmmehl fragen, wenn ich das nicht haben will_
Wenn jemand ein Delikatessenrestaurant aufmachen will, um dort zum Grillenabend einzuladen, kann er das tun. Da gibt es eben Grillen und wer diese essen möchte, kann hingehen.
Aber das Zeug soll ja auch in Soßenpulver oder Kartoffelerzeugnisse verarbeitet werden. Warum? Wo liegt der Sinn?
ebo
20. Januar 2023 @ 16:41
Versteh ich auch nicht.
Aber ich wollte danke sagen – für den Hinweis auf dieses nicht sehr appetitliche Thema. Nach dem Hinweis haben es einige Portale aufgegriffen, und nun sieht sich sogar die EU-Kommission zu einer Reaktion genötigt…
Ales
21. Januar 2023 @ 07:08
Die Antwort ist hoher Proteingehalt. Das hier vermutlich die eine “News”, die ein Science-Fiction-Autor aus den 70er Jahren als extrem plausibel empfinden würde. Zumal dies durchaus wie eine Strategie in Erwartung dystopischer Verhältnisse anmutet. In deutschen Supermärkten gab es schon vor 5 Jahren die ersten Power-Riegel aus Grillenmehl. Und die tschechischer Firma SENS hat vor drei Jahreh ganze Grillenfarmen in Thailand aufgebaut und betreibt einen Versand mit breitem Sortiment – sogar mit dem Freeclimbing-Champion Adam Ondra als Sponsoring-Botschafter. Ob das nun weniger appetitlich oder ethisch als eine “Leberkäs-Semmel” ist, steht zur Debatte. Eine mögliche “Beimischung” in alltägliche Produkte ist in der Tat aber eine andere Geschichte und wird Veganer nicht begeistern. Bei Fleischessern bin ich optimistischer – den meisten kann man mit etwas Mühe alles andrehen (Das war etwas Sarkasmus zum Abschmecken).