Die gute Nachricht aus Brüssel: Schonfrist bei Medizinprodukten
Doch, es gibt sie noch – gute Nachrichten aus Brüssel. Diese Woche: Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, mehr Zeit für die Zertifizierung von Medizinprodukten einzuräumen und so das Risiko von Engpässen zu mindern.
Der Vorschlag sieht längere Übergangsfristen für die Umstellung auf die neuen Vorschriften der Verordnung über Medizinprodukte vor: für Produkte mit höherem Risiko (wie Herzschrittmacher und Hüftimplantate) bis Ende 2027 und für Produkte mit mittlerem und geringerem Risiko (wie Spritzen oder wiederverwendbare chirurgische Instrumente) bis Ende 2028. Rat und Parlament müssen noch zustimmen. EU-Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas erklärte: „Wir werden auf keinen Fall zulassen, dass schwerwiegende Störungen der Versorgung mit verschiedenen Medizinprodukten auf dem Markt drohen, was die Gesundheitssysteme und ihre Fähigkeit zur Versorgung der Patientinnen und Patienten in Europa in Mitleidenschaft ziehen würde.“
EINORDNUNG: Die EU-Kommission hat lange gezögert; ohne massiven Druck aus dem Europaparlament und aus der Industrie hätte sich wohl nichts bewegt. “Wir haben als Christdemokraten Ursula von der Leyen und die Gesundheitskommissarin schon seit Monaten bedrängt. Es ist wirklich höchste Zeit, das Leben insbesondere von Kindern ist in Gefahr. Kollegen von mir, die in der Kinderkardiologie arbeiten, warnen davor, dass die Medizin zurückfällt in die 50er Jahre, wenn wir nicht schnell reagieren“, kommentierte Dr. Peter Liese, der gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP-Christdemokraten). Doch der Schaden ist schon da, bei vielen, teils lebenswichtigen Produkten herrscht bereits akuter Mangel!
Mehr hier (Pressemitteilung der EU-Kommission). Mehr gute Nachrichten aus Brüssel hier.
MS
7. Januar 2023 @ 12:47
Hallo Herr Bonse, der Medikamentenmangel hat meines Erachtens nichts mit den Medizinprodukten zu tun. Bei den Medizinprodukten wurde vor einigen Jahren die relevante Richtlinie sehr grundsätzlich überarbeitet und gerade deswegen lange, sehr lange, Übergangsfristen gewährt. Jetzt, kurz vor Ende eben dieser, eine Verlängerung der Fristen durchzusetzen hat schon so sein Geschmäckle. Nicht wenige Hersteller von Medizinprodukten haben in den letzten Jahren sehr viel Zeit und Geld investiert rechtzeitig fertig zu sein. Knappe Laborkapazitäten und Fachkräfteknappheit (bei denen die das sehr umfangreiche Regelwerk verstehen) hatten das Unterfangen nicht gerade vereinfacht. Der ein oder andere fühlt sich jetzt sicher vor den Kopf gestoßen und es bestätigt sich mal wieder wie viel Einfluss das Lobbying in Brüssel doch hat…
ebo
7. Januar 2023 @ 14:30
Sie haben recht, ich ändere das. Allerdings geht es nicht nur um Lobbyisten. Zitat von Reuters:
Das kostspielige Zulassungsverfahren ist der jüngste Schlag für den zweitgrößten Medizintechnikmarkt der Welt mit einer Größe von über 150 Milliarden Dollar. Die Branche leidet bereits unter steigenden Energiekosten und Lieferkettenproblemen infolge der Corona-Pandemie. Selbst große Unternehmen mit tieferen Taschen und Erfahrung mit Regulierungsprozessen in anderen Ländern kämpfen mit der Komplexität des neuen Systems.
MS
7. Januar 2023 @ 21:09
Ja das stimmt. Es kommt erschwerend hinzu, dass sehr viel mehr Produkte im Anwendungsbereich des neuen Gesetzes sind. Vorher waren es eher technische Produkte wie Spritzen, Ultraschalluntersuchungsgeräte und ähnlichen Dingen. Mit der neuen Verordnung ist nun aber alles im Scope, was im medizinischen Kontext genutzt wird. Also auch Besteckschalen und im Zweifel sogar eine Bettpfanne. Das Gesetz ist zudem inhaltlich sehr umfangreich und verlangt Qualitätsmanagementprozesse, die viele obendrein implementieren müssen.