Die deutsche Europa-Wahl, die Revanche der Transatlantiker – und Werbung für Bio

Die Watchlist EUropa vom 24. September 2021 –

In der EU reden alle über Deutschland – doch in Deutschland spricht keiner über die EU. So hat der Satiriker und Europaabgeordnete Martin Sonneborn („Die Partei“) die Lage vor der Bundestagswahl zusammengefasst. Sein ironisch gemeintes Bonmot trifft einen wunden Punkt.

Ausgerechnet im größten und wichtigsten EU-Land ist die EU kein Thema. Während Brüssel nur widerwillig von Kanz-lerin Angela Merkel Abschied nimmt – viele EU-Politiker sehen sie immer noch als heimliche Chefin – kümmert man sich in Berlin kaum um ihr europapolitisches Erbe.

Dabei hat Merkel gleich mehrere Großbaustellen hinterlassen. Der Corona-Aufbaufonds wurde mit 750 Milliarden Euro neuer EU-Schulden finanziert, die zurückgezahlt werden müssen. Doch wann und wie, ist umstritten.

Der Stabilitätspakt für den Euro wurde ausgesetzt, sein Schicksal ist ungewiß. Merkel brachte auch eine Rechtsstaats-Klausel auf den Weg, die das EU-Budget schützen soll. Doch ob sie in Polen oder Ungarn wirkt, muß sich erst noch zeigen. Im Herbst droht ein Eklat.

Und dann wären da noch die Klimakrise, Afghanistan, der Streit mit den USA über China und die U-Boote – jede Menge „unfinished business“, bei dem es auf Deutschland ankommt. Doch die Kanzlerkandidaten schweigen.

“Brüssel hat alles im Griff”

Je nach Temperament wird dies von den EU-Politikern und Institutionen ganz unterschiedlich aufgenommen. „Kein Problem, wir haben alles im Griff“, heißt es im Ministerrat, der Vertretung der 27 Mitgliedstaaten.

Schließlich haben Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine ordentliche Übergabe vereinbart. Am 1. Januar 2022 übernimmt Frankreich den EU-Vorsitz – die Agenda haben Merkel und Macron schon festgezurrt.

„Wir können mit jedem Wahlsieger“, heißt es in der EU-Kommission. Behördenchefin Ursula von der Leyen verweist darauf, dass sie mit CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet das Parteibuch teile – und mit SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz schon gemeinsam in einer Regierung gesessen habe.

Lauter “überzeugte Europäer”

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Man kennt sich, man schätzt sich, und beide sind „überzeugte Europäer“ – genau wie die Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock. Die kennt Brüssel zwar nur von einer Assistentenstelle im Europaparlament, die kaum Spuren hinterlassen hat. Doch auch sie bekennt sich zur EU.

Nur was sie europapolitisch tun wollen, das lassen die drei Kandidaten offen – jedenfalls im Wahlkampf. Statt ihre Ziele zu definieren und darüber zu streiten, fordern sie Bekenntnisse, wie in der Kirche.

Europa ist in Deutschland zu einer Staatsreligion geworden, auch das gehört zum Merkel’schen Erbe…

Siehe auch “Wenn Europa zur Religion wird.” Mehr zur Bundestagswahl hier

Watchlist

Lenkt die EU im Streit mit den USA ein? Trotz des Vertrauensbruches durch den Verteidigungspakt zwischen den USA, Großbritannien und Australien hält Brüssel an Plänen für einen Ausbau der transatlantischen Zusammenarbeit fest. Ein Treffen zu Handelsgesprächen über ein “TTIP light” soll wie geplant stattfinden, heißt es in der EU-Kommission. Frankreich wollte es abblasen…

Was fehlt

Die Werbung für Bio-Produkte. EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Länder wollen künftig einmal pro Jahr für ökologisch erzeugte Lebensmittel werben. Die Institutionen unterzeichneten ein Papier, in dem sie von nun an den 23. September zum EU-Bio-Tag erklärten. Nach einem Aktionsplan soll bis 2030 ein Viertel der Agrarfläche in der EU auf die Bio-Landwirtschaft entfallen.