Die Datenschutzgrundverunsicherung

Na, wie viel Datenschutz-Spam haben Sie gestern bekommen? Beim mir waren es gefühlt 50 Newsletter, von denen ich die Hälfte nicht kannte. Und von denen, die ich kannte, wollte die Hälfte, dass ich ellenlange Formulare ausfülle!

Mit Datenschutz hat das nichts mehr zu tun, mit Bürokratie umso mehr. Dabei war die Datenschutzgrundverordnung, auf die das alles zurückgeht, doch sooo gut gemeint. Die EU wollte wegweisende Standards setzen, sogar Weltstandards.

Das hat sie auch geschafft. Sogar Facebook-Chef Zuckerberg will die neuen Regeln einhalten. Very nice! Die Global Player  haben damit keine Probleme. Sie freuen sich, dass in der EU endlich einheitliche Regeln gelten.

Doch bei vielen Bürgern sorgen sie für Verunsicherung. Nicht nur wegen der Newsletter, sondern auch wegen der vielen neuen Formulare, Einwilligungen und Paragraphen. Man fühlt sich nicht geschützt, sondern bevormundet.

Zudem sind die Hauptprobleme nicht gelöst. Unsere Daten werden immer noch in den USA – oder in einer diffusen, raum- und zeitlosen Cloud – gespeichert und verarbeitet. Die DSGVO holt sie nicht nach Europas zurück, leider.

Auch an der Überwachung durch NSA und andere Geheimdienste ändert sich nichts. Und natürlich auch nicht am „Big Brother“, den die EU-Staaten mit freundlicher Hilfe der EU-Kommission überall in EUropa installieren.

Die EU hat es nicht einmal fertig gebracht, dass alle Mitgliedstaaten auf die neuen Regeln und ihre Durchsetzung vorbereitet sind. Rund ein Drittel hinkt hinterher – dabei soll eine Verordnung eigentlich unmittelbar wirken.

Und dort, wo es angeblich doch schon funktioniert – z.B. in Deutschland – fehlt es an Aufklärung. Statt die Bürger über ihre neuen Rechte zu informieren, lässt man dubiose Abmahn-Anwälte walten – und Angst verbreiten.

Das Ganze ist ein Sinnbild dafür, was in der EU schief läuft. Man beschließt etwas, und kümmert sich nicht um die Umsetzung. Wenn es dann schief läuft, ist natürlich „Brüssel“ schuld. Und mit der Bürokratie will auch keiner was zu tun haben…

Dabei wissen die Gesetzgeber selbst nicht so genau, was sie eigentlich beschlossen haben. Dies konnte ich gerade erst im Gespräch mit Europaabgeordneten erleben: Sie hatten keine Ahnung, was die DSGVO für Blogger bedeutet.

Ich kann es Ihnen sagen: Ab sofort gibt es nicht nur eine ellenlange Datenschutzerklärung (sie steht hier), sondern ich muss auch dafür sorgen, dass jeder Nutzer seine Daten einsehen und löschen kann (Anfragen bitte hier).

Dafür gibt es dann neue, unsichtbare Plug-ins (Mini-Programme), die den Blog verlangsamen und auch sonst jede Menge Arbeit machen. Gleichzeitig sollen nützliche Plugins zur Messung der Lesegewohnheiten eingeschränkt werden.

Und obwohl ich Daten weder weiterverarbeite noch weitergebe, muss nun jeder Kommentar und jede Bestellung eines E-Books mit einem Häkchen versehen werden, dass wir die EU-Regeln achten und lieben. Halleluja!

Siehe auch „Panik beim Datenschutz“ und „Vor wem soll mich die DSGVO schützen?“, ein guter Einwurf von M. Weisband

WATCHLIST:

  • Wird O. Scholz es wagen? Wird der SPD-Mann endlich mal den Mund aufmachen und verraten, welche großen Reformen er für die Eurozone plant? Heute wäre eine gute Gelegenheit, denn die EU-Finanzminister tagen in Brüssel.

WAS FEHLT:

  • Killerroboter made in EU. Darauf macht die Linke aufmerksam. Da wir so schöne Mordgeräte noch nicht haben, sollen sie jetzt offenbar mit EU-Geld gefördert werden. Die Mehrheit im Europaparlament wollte sich dem nicht entgegenstellen…