Gipfel der Schlafwandler, Schlingerkurs bei Katar – und Freihandel mit Asien?

Die Watchlist Europa vom 15. Dezember 2022 – Heute mit dem EU-Gipfel, der Vorbereitung auf einen langen Ukraine-Krieg, dem Handelskrieg mit den USA und dem Patt in der Energiepolitik. Außerdem geht es um den Schlingerkurs gegenüber Katar und Freihandel mit Asien.

Stell Dir vor, es ist EU-Gipfel – und keiner merkt’s. So ist die Stimmung in Brüssel vor dem letzten Treffen der Staats- und Regierungschefs in diesem Jahr. Schuld daran ist nicht nur der Korruptionsskandal im Europaparlament, der immer größere Kreise zieht und die EU-Politiker beunruhigt: Was steckt dahinter, wen wird es als nächstes treffen?

Schuld ist auch die EU, die geradezu schlafwandlerisch in die großen Krisen steuert, die sich vor ihr auftun.

  • Beispiel Ukraine-Krieg: Statt auf ein schnelles Ende zu drängen, will Gipfelchef Charles Michel die 27 auf einen langen Konflikt einschwören.

„Über die unmittelbaren Bedürfnisse des Landes hinaus muss auch eine substanzielle Debatte darüber geführt werden, wie die Nachhaltigkeit unserer militärischen und finanziellen Unterstützung für die Ukraine gewährleistet werden kann“, heißt es in seinem Einladungs-Schreiben.

  • Beispiel Handelskrieg mit den USA: Statt die Herausforderung anzunehmen und die „America First“-Politik zu bekämpfen, will man über die „wirtschaftliche Zusammenarbeit“ sprechen.

Vor allem Deutschland legt höchsten Wert darauf, dass der Handelskonflikt nicht eskaliert. Man führe „sehr konstruktive Gespräche mit der amerikanischen Regierung“, sagte ein Regierungsvertreter in Berlin. Die transatlantischen Beziehungen dürften auf keinen Fall gefährdet werden.

  • Beispiel Energiekrise: Die EU hat immer noch keinen Gaspreisdeckel, auch der dysfunktionale Eneegiemarkt wurde nicht reformiert. Doch statt das Versäumte nachzuholen, droht erneut ein Patt.

Auch hier steht Deutschland auf der Bremse. Eine „Sofortlösung gibt es nicht“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung zum EU-Gipfel. Die EU könne „nicht so in Preise eingreifen, dass dann zu wenig Gas nach Europa geliefert wird“.

Streit über Sanktionen

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Beim Gipfel möchte Scholz das Reiz-Thema am liebsten ausklammern. Doch 15 EU-Staaten geben keine Ruhe, sie brauchen den Deckel. Anders als Deutschland können sie sich keine dauerhafte Subventionierung hoher Gas- und Ölpreise leisten.

Streit droht auch wieder über die Sanktionen. Nicht nur Ungarn steht auf der Bremse, auch Deutschland hat Änderungswünsche. Selbst wenn man sich in letzter Minute einigt – nach acht „massiven“ Sanktionspaketen ist unklar, was sie gebracht haben.

Der Krieg geht weiter, die Energiekrise auch, die USA haben ihre Schäflein ins Trockene gebracht und sogar profitiert. Statt sich einzugestehen, dass EUropa auf der ganzen Linie verliert, und endlich umzusteuern, schlafwandelt Brüssel ins nächste Jahr…

Siehe auch „Sanktionen und Subventionen: Wie die USA die EU vorführen“

Watchlist

Wie lange hält die EU ihren Schlingerkurs mit Katar durch? Während das Europaparlament von einer riesigen Korruptionsaffäre erschüttert wird, wollen EU-Kommission und Bundesregierung an ihrer „Energiepartnerschaft“ mit dem Emirat festhalten.  Bundeskanzler Olaf Scholz sieht keinen Anlass, die Gaslieferungen aus Katar zu überdenken. Es gehe darum, die Vorwürfe aufzuklären, sagte Scholz am Mittwoch nach dem EU-Asean-Gipfel in Brüssel. „Das ist ein Thema für sich.“ Klingt ziemlich schizophren, ist aber eiskalte Realpolitik…

Was fehlt

Der ASEAN-Gipfel. Die EU und der asiatische Staatenbund haben eine engere Zusammenarbeit vereinbart. Auch mit Blick auf China vereinbarten Staats- und Regierungschefs beider Seiten in Brüssel den Ausbau der Handelsbeziehungen. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und Kanzler Scholz betonten den Wunsch nach einem Freihandelsabkommen. In der gemeinsamen Abschlusserklärung konnte man sich nicht auf eine gemeinsame Verurteilung Russland einigen, auch zu den EU-Sanktionen gibt es weiter Dissens. – Mehr hier