Damm- und Achsbruch, Spekulation gegen Italien – und Drogenkrieg in Belgien

Die Watchlist EUropa vom 27. September 2022 –

Ein gefährlicher Dammbruch nach Rechtsaußen – oder ein Sieg der Demokratie über die Eurokraten in Brüssel? Selten sind die Reaktionen der Europapolitiker so gegensätzlich ausgefallen wie nach der Rechtsruck-Wahl in Italien. Auch die Folgen für die EU werden sehr unterschiedlich bewertet.

Während Sozialdemokraten, Grüne und Liberale im Europaparlament vor einer Blockade bei wichtigen Fragen wie Rechtsstaat, Russland oder Migration warnen, werteten Konservative und Rechtspopulisten das Ergebnis als Erfolg für Demokratie und Selbstbestimmung.

So weit, so erwartbar. Auf der einen Seite die “überzeugten EUropäer”, auf der anderen die Skeptiker und Bremser aus Frankreich (Le Pen), Ungarn (Orban), Polen (Moraviecki) und nun eben auch Italien (Meloni). Und mittendrin die Konservativen, die Berlusconi die Stange halten – so wie M. Weber.

Sogar Söder distanziert sich

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Der CSU-Politiker und EVP-Chef mußte dafür viel Prügel einstecken. Sogar CSU-Chef Söder distanzierte sich von seinem ehemaligen Spitzenkandidaten. “Es ist nicht Aufgabe der EVP und bürgerlicher Parteien, rechtsnationale und rechtsradikale Regierungen zu ermöglichen, das ist nicht unser Auftrag”, sagte er.

Noch deutlicher wurde die SPD-Politikerin K. Barley. „Mit der Schützenhilfe der Konservativen gewinnen die rechtsextremen Fratelli d‘Italia die Parlamentswahlen“, twitterte die Vizepräsidentin des Europaparlaments. “Zufrieden, Manfred Weber?” fügte sie sarkastisch hinzu.

Das wirft die Frage auf, ob sich hier ein Bruch zwischen den Sozialdemokraten und den Konservativen im Europaparlament andeutet. Kündigen die Genossen die ewige große Koalition mit den Schwarzen auf, führt Weber “seine” EVP in die Isolierung? Das wäre ein Wendepunkt.

Gegen die deutsch-französische Achse

Und noch ein zweiter Bruch deutet sich an, eine Art Achsbruch. Denn der Sieg der Rechten in Rom bedeutet auch eine Abkehr von der deutsch-französischen Achse in der EU. Ex-Premier Draghi war noch mit Kanzler Scholz und Präsident Macron im Sonderzug nach Kiew gefahren.

Seine designierte Nachfolgerin Meloni wird dies bestimmt nicht tun. Von nun an gelte “Italy first” und “jetzt ist der Spaß vorbei”, hat sie im Wahlkampf verkündet. Wenn sie das auch umsetzt, dann gerät das ganze Machtgefüge in der EU ins Rutschen.

Denn nicht nur Italien rüttelt an der deutsch-französischen “Führung”. Auch Polen und Balten wenden sich von Berlin und Paris ab – und London und Washington zu. Die Wahl in Italien und der Krieg in der Ukraine erweisen sich als explosive Mischung…

Watchlist

Kommt Italien unter Druck der Märkte? Diese Frage stellt sich bei jedem Regierungswechsel in Rom, diesmal aber ganz besonders. Die Renditen für italienische Staatsanleihen mit 10-jähriger Laufzeit stiegen am Montag auf 4,46 Prozent. Das ist der höchste Stand seit September 2013 – der Zeit der Eurokrise. Auf Großbritannien schießen sich die Händler bereits ein, mehr dazu hier.

Was fehlt

Der Drogenkrieg in Belgien. Nach der vereitelten Entführung des belgischen Justizministers Vincent Van Quickenborne hält die Bedrohung des liberalen Politikers an. In der Nähe seines Wohnhauses wurde am Montag ein verdächtiges Paket entdeckt. Die Ermittler vermuten die organisierte niederländische Drogenszene hinter den Attacken auf den Minister.