Der Blaue Brief aus Brüssel und seine Tücken

Er ist nicht leicht zu finden, der blaue Brief der EU-Kommission an die Populisten-Regierung in Rom. Die Brüsseler Behörde hat ihn gut versteckt – vielleicht, weil er bemerkenswerte Lücken enthält?

Die Abweichung von den Vorgaben des Stabilitätspakts sei „beispiellos“, schreibt Finanzkommissar Moscovici in dem Dokument, das nicht einmal im Pressedienst der Kommission erwähnt wird.

Both the fact that the DBP plans a fiscal expansion of close to 1% of GDP, while the Council has recommended a fiscal adjustment, and the size of the deviation (a gap of around 1.5% of GDP) are unprecedented in the history of the Stability and Growth Pact.

Beispiellos? Na ja. Deutschland hat sich schon ‚mal wesentlich dreister über die EU-Vorgaben hinweggesetzt. Frankreich hat jahrelang die Grenze für die Neuverschuldung ignoriert, Spanien macht es immer noch.

Zudem scheint Moscovici zu vergessen, dass der Schuldenberg Italiens auch in den vergangenen Jahren nicht geschrumpft ist – trotz Einhaltung der EU-Vorgaben. Ein Mea Culpa hätte glaubwürdiger gewirkt.

Dann wäre man nämlich wahrscheinlich auch darauf gekommen, wo das Hauptproblem liegt – am fehlenden Wachstum in Italien. Und hätte vielleicht sogar überlegt, wie man die Konjunktur ankurbeln könnte.

Bemerkenswert ist auch, dass die Kommission mit keinem Wort auf die sozialpolitischen Ziele der neuen Regierung in Rom eingeht.

Die Populisten planen ein neuartiges Grundeinkommen, die Senkung des Renteneintrittsalters  – und sie wollen das Kurzarbeitergeld beibehalten, das eigentlich auslaufen sollte.

Kommissionschef Juncker hatte vor einem Jahr versprochen, eine „Säule sozialer Grundrechte“ aufzubauen und sozialpolitische Aspekte bei der Wirtschafts- und Finanzpolitik stärker zu berücksichtigen.

Jetzt sieht man, wie ernst es der christsoziale Juncker und der Ex-Sozialist Moscovici mit diesen Sprüchen meinen – die Sozialpolitik wird im blauen Brief aus Brüssel nicht einmal erwähnt…

Siehe auch „Beispiellose Übertreibung im Defizit-Streit“