Demokratie ohne Wahl

Ganz schön unscharf, diese Regierungserklärung

Der Bundestag hat Merkels Pläne zur Hebelung des Euro-Rettungsfonds EFSF mit großer Mehrheit gebilligt. Die Kanzlerin kann damit gestärkt zum Krisengipfel nach Brüssel reisen. Eine Stärkung der Demokratie war dies jedoch nicht: Die Bundestags-Abgeordneten hatten gar keine Wahl. Sie durften nur absegnen, was Merkel mit Frankreichs Präsident Sarkozy und anderen EU-Granden ausgehandelt hatte – hinter verschlossenen Türen.

Europas „Betriebssystem“ sei die Demokratie, nicht der Euro, schreibt H. Prantl in der Süddeutschen. Von einem „Gewinn für die Demokratie“ spricht M. Heckel auf The European. Schön wär‘s. Die Demokratie kann jedoch nur gewinnen, wenn die Abgeordneten nicht hinters Licht geführt werden – wie diesmal beim EFSF. Erst vor drei Wochen durften sie dem deutschen Beitrag für den Rettungsschirm zustimmen – nun reicht das nicht mehr und es muss „gehebelt“ werden.

Über das Ob und Wie des Hebelns konnten die Abgeordneten jedoch nicht befinden. Sie konnten sich zum Beispiel nicht für Sarkozys Vorschlag entscheiden, den EFSF mit einer Banklizenz zu versehen und die EZB anzuzapfen (Merkel war dagegen). Sie konnten auch nicht sagen, dass China beim Finanzhebel draussen bleiben soll.

Sie durften noch nicht einmal konkrete Zahlen zur Hebelwirkung erfahren (offenbar gibt es die noch nicht) – und konnten deshalb auch nicht das Risiko der geplanten Billionen-Aktion etwa für den Bundeshaushalt abschätzen. Die Abgeordneten konnten nur Merkels Plan absegnen, und hatten dafür nicht einmal 48 Stunden Zeit – echte Volksvertretung sieht anders aus.

Sinnvoll wäre die Konsultation des Parlaments nur, wenn es der Kanzerlin VOR den Verhandlungen ein Mandat erteilt, über das es auch inhaltlich befinden kann – und wenn die Ergebnisse dann NACH der Gipfelentscheidung ratifiziert werden. Transparent wäre das Ganze, wenn die Parteien verschiedene Alternativen auf den Tisch legen würden – z.B. die Schaffung von Eurobonds, die viel weiter gehen (und viel besser wirken) als ein EFSF-Hebel.

Nur so hätte das Parlament eine echte Wahl. Aber auch der Bürger muss die Wahl haben – zwischen verschiedenen Politik- und Krisenlösungsmodellen. Derzeit kann davon keine Rede sein. Die informelle Große Koalition, die sich bei der EFSF-Abstimmung gebildet hat, macht es den meisten Menschen unmöglich, noch einen Unterschied zwischen den Parteien zu erkennen.

Außerdem kann Demokratie in Euroland nicht funktionieren, wenn Deutschland allein den Ton angibt. Auch die Parlamente der anderen Euro-Länder müssen mitreden – und natürlich auch das Europaparlament, das ja extra für diesen Zweck gewählt wurde. Das EP durfte jedoch nur eine unverbindliche Debatte halten; die Ergebnisse sind mager, wie der Pressedienst belegt.

Aber wer weiß – vielleicht war das Berliner Votum ja der erste, wenn auch bescheidene, Schritt in eine echte Euro-Demokratie…?

 

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