“Das Parlament muß den Aufstand wagen”
Für das Europaparlament hat die Woche der Wahrheit begonnen. Die neugewählten Abgeordneten müssen sich entscheiden, ob sie Verteidigungsministerin Von der Leyen wählen wollen – oder den Aufstand wagen.
Bisher sieht es so aus, als würden sich die MEP damit abfinden, dass sie vom Europäischen Rat übergangen wurden – und dass mit VdL eine Politikerin antritt, die keine Spitzenkandidatin war.
Doch das sollten sie sich zweimal überlegen, sagte Prof. Michèle Knodt bei einer Podiumsdiskussion der Böll-Stiftung in Frankfurt (Thema: “Nach der Schicksalswahl: Jetzt Aufbruch für Europa?”).
Die EU sei zwar keine parlamentarische Demokratie, so die anerkannte Europa-Expertin. Mit den Spitzenkandidaten hätten die Abgeordneten ihre Kompetenzen “zärtlich überdehnt”.
Dennoch sei es Zeit, dem Rat Kontra zu geben. Denn nur so könne das Parlament seine Rechte verteidigen. “Wenn es jetzt keinen Aufstand wagt, dann hat das Parlament verloren”, warnt Knodt.
Allerdings geht sie nicht so weit wie manche MEP, die gleich ein Inititiativrecht oder eine radikale Klimawende fordern. Das Ziel sollte vielmehr ein interinstitutionelles Abkommen mit dem Rat sein.
Darin könnte dann ein “Modus vivendi” für die nächste Europawahl vereinbart werden. Die Sache hat allerdings einen Haken: Wer sagt denn, dass sich der Rat überhaupt auf Verhandlungen einläßt?
Denkbar wäre auch, dass die EU-Chefs bei einem “Nein” auf stur schalten und auf ihrem Recht zur Nominierung beharren. Bestenfalls könnten sie sich auf eine Reformkonferenz einlassen – nach der Bestätigung von VdL.
Eine solche Konferenz hat Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron bereits ins Gespräch gebracht. Den Vorsitz könnte Ex-ALDE-Chef Guy Verhofstadt übernehmen – ein überzeugter Föderalist, genau wie VdL.
Sollte es so weit kommen, dann hätte die verkorkste Europawahl am Ende womöglich doch noch den Weg zu “mehr Europa” eröffnet. Es wäre eine neue paradoxe Wendung dieser paradoxen “Union”…
Siehe auch “Was das Europaparlament jetzt tun sollte” und “Hinterzimmer? Das wahre Problem sind die Parteien”
Peter Nemschak
9. Juli 2019 @ 15:39
Auch Letzteres ist keine Erfolgsgarantie.
JvB
9. Juli 2019 @ 14:19
Nieeeemals, nieeeemals werden die den Aufstand wagen. Niemals. Ich fände es super und hätte dann so etwas wie Respekt vor den Abgeordneten und dem Parlament. Ist hier im Forum jemand, der mir das mit von der Leyen erklären kann? Dieses Individuum hat nichts,
gar nichts geleistet. Meine Eltern waren keine EU-Beamten, daher hatte ich auch keine 5 Nachhilfelehrer( gut, das mögen Gerüchte sein), ich musste die Differentialrechnung ohne Nachhilfe verstehen und anwenden. Englisch? Mein Englisch ist gut, ohne 5 Sprachkurse im Ausland. Französisch? Auf der Schule, ja, auch im Abitur. Ich spreche die Sprache durchaus.
Aber: Sind das denn Kriterien? Die Frau hat vor 30 oder 40 Jahren Matura gemacht, und das Uschichen Französisch und Englisch spricht (das spricht man, wenn man mal Matura gemacht hat), das soll ein Kriterium für diesen Job sein? Das kann nicht sein.Macron mag auf irgendwelchen Weltmachtstouren samt seinem Schrottland unterwegs sein, dazu hatte er sich dann eine gescheiterte drittklassige Politikerin aus D. ausgesucht, die ihm dabei hilfreich sein möge. Ich halte sie für dumm. Sie hat die Armee zu Grunde reformiert, es ist ja wohl ein Witz, und offenbar versteht sie von der Materie auch nach drei oder vier Jahren im Amt nichts, und jetzt wird sie nach Brüssel befördert?Bei solchen Leistungen ist man seinen Job los, sonst nichts. Und dann Ihre Bemerkungen, erinnern Sie sich? vor ein paar Jahren sagte sie, dass die falschen Leute Kinder bekämen, es solle mehr Akademikerkinder geben
zykliker
9. Juli 2019 @ 16:33
“…jemand, der mir das mit von der Leyen erklären kann?”
unverständlich ist das nur für jemand, der immer noch in der Illusion lebt, auch für den “Feudaladel” gilt das gleiche Leistungsprinzip wie für unsereinen. Es hat ja durchaus mal ein bürgerliches Leistungsethos gegeben, an das sich auch eine bürgerliche Oberschicht gebunden fühlte, nachdem man den dekadenten Adel dort oben abgelöst hatte. In dieser Vorstellungswelt leben viele von uns immer noch, ihre “Ent”-Täuschung ist das Ergebnis einer vorherigen “Selbst”-Täuschung.
Den Begriff “Feudaladel” verwende ich übrigens sinngemäß entsprechend der sozialen Stellung, mit einem Namenszusatz hat das nichts zu tun.
In dieser Schicht ist man unter sich, man hat den richtigen Stallgeruch, spricht den gleichen “Soziolekt,” Leistung für ein nebulöses Gemeinwohl oder “die-da-unten” ist nicht wichtig.
“Wenn der Pöbel kein Brot hat, soll er doch Kuchen essen.”
Wenn dem “Grüß-August” fähige sherpas zur Hand gehen, hat das Volk Glück gehabt; wenn nicht, macht auch nix: “Wo wir sind, klappt nichts, aber wir können nicht überall sein.” Je verkommener desto zynischer, oder wars umgekehrt?
Der sedierte Untertan ist da übrigens nicht so anspruchsvoll, er ist glücklich, wenn die/der Herr/in ihm huldvoll zulächelt.
Hat da jemand was von gravierenden Problemen einer aus den Fugen geratenden Welt gefaselt? nicht doch, “der Champagner-Jahrgang wird doch hoffentlich wieder so excellent wie der letztjährige”
Flintenuschi gehört übrigens gar nicht zur obersten Schicht, aber solange sie nicht gegen deren Interessen agiert – und sie wird sich hüten, das zu tun – ist alles andere fast egal.
Baer
9. Juli 2019 @ 09:20
Wir brauchen ein Europa der Vaterländer und keine ideologischen Hirngespinste von rosaroten Brillenträgern und Gutmenschen.
Der gesunde Menschenverstand kommt immer mehr unter die Räder,und unfähige und weit überbezahlte Nieten übernehmen das Kommando.So kann es nicht kontinuierlich weitergehen.
Das ist nicht die EU die sich Kohl vorstellte,schon gar nicht das Europa.
Perversion als Grundlage politischer Entscheidungen?
Schluss damit und die ordentlichen Gerichte hätten Arbeit ohne Ende.
Kleopatra
9. Juli 2019 @ 07:53
Die Wahlen zum Parlament sind nach dem Direktwahlakt Verhältniswahlen. Das bedeutet aber, dass auch die stärkste Fraktion in der Regel keine eigene Mehrheit hat. Und es bedeutet gleichzeitig, dass es wenig Sinn ergibt, Spitzenkandidaten aufzustellen und den Spitzenkandidaten der stärksten Fraktion als eine Art geborenen Kommissionspräsidenten anzusehen. Das Spitzenkandidatensystem, wie es Martin Schulz und Juncker miteinander ausbaldowert haben, macht (sofern die Wähler es nicht souverän ignorieren) aus der Verhältniswahl eine Mehrheitswahl, und das kann ja wohl nicht der Sinn sein.
Eine Personenwahl für das Amt ist schon deshalb eine sehr fragwürdige Idee, weil die EU zu heterogen ist. Was in Deutschland gefällt, kann in anderen Ländern durchaus unbeliebt sein. Es bestünde die Gefahr, dass die Kandidaten sich auf einige wenige Länder konzentrieren und die Interessen einer Reihe kleinerer Länder ignorieren. Auch die Sprachenfrage ist nicht zu unterschätzen: die deutschsprachigen Wähler sind die größte einzelne Gruppe, es ist sicher kein Zufall, dass keine “Partei” es wagen würde, einen Kandidaten ohne sehr solide, am besten muttersprachliche Deutschkenntnisse, aufzustellen (zumal die Idee vom Spitzenkandidaten in Deutschland am ehesten ernst genommen wird). Das Übergehen anderer Sprachgemeinschaften führt aber zu Kränkungen; Webers fehelnde Französischkenntnisse haben zur Ablehnung durch Frankreich sicher mehr beigetragen, als Macron offen zugeben würde. Und so weiter. Die Direktwahl eines Kommissionspräsidenten setzt eine so relativ homogene politische Nation voraus wie die USA es trotz allem sind. Da das nicht gegeben ist, sollte man sich von allen Versuchen bewusst und entschieden verabschieden. In der EU hätte das Spitzenkandidatensystem in seiner ursprünglichen Form dazu geführt, dass die Führung der EVP (und damit implizit A. Merkel) den Kommissionspräsidenten bestimmt.
Peter Nemschak
8. Juli 2019 @ 20:53
Die Schwäche des Parlaments besteht darin, dass es keine europäischen Direktwahlen gibt. Eine europäische Öffentlichkeit ist Wunschdenken der Föderalisten. Brauchen wir wirklich mehr Supranationaliät oder besseren Konsens unter den Mitgliedsstaaten?
Kleopatra
8. Juli 2019 @ 20:52
Nach den Verträgen müsste der Rat , wenn das Parlament seinen Vorschlag ablehnt,eine andere Person vorschlagen, und das Parlament würde in derselben Weise abstimmen.
Das bedeutet, dass das Parlament sich eine Ablehnung schon gut überlegen müsste, weil es nur einmal die Möglichkeit hat, UvdL zur Kommissionspräsidentin zu wählen. Wenn das Parlament UvdL nicht für eine total unmögliche Kandidatin hält, kann es sie nur im Namen eines Prinzips ablehnen; und dieses Prinzip müsste das Parlament verpflichten, keinen anderen Kommissionspräsidenten als Manfred Weber zu akzeptieren. Ist Weber eine Lichtgestalt, die das verdient, oder nicht vielmehr ein recht harmloser Kumpel?
Jede grundlegende Änderung der Entscheidungsfindungsprozeduren würde eine Änderung der Verträge voraussetzen. Ich erinnere an das letzte Mal, als man dies den wahlberechtigten Bürgern in Frankreich und den Niederlanden vorschlug. Nein: das Parlament sollte akzeptieren, dass mehr Macht für zentrale Institutionen der EU weithin schlicht nicht gewollt wird, und dass diejenigen , die mehr Macht für die Zentrale fordern, u.U. völlig unterschiedliche Dinge wollen.
ebo
8. Juli 2019 @ 22:06
Weil der Rat nicht zweimal dieselbe Person vorschlagen kann, behaupten einige Optimisten in Brüssel, bei einem Nein des Parlaments könne der Rat sich auf Margrethe Vestager einigen. Das wäre doch gar nicht so schlecht 🙂 Sehr wahrscheinlich ist dies allerdings nicht.
Kleopatra
8. Juli 2019 @ 23:01
Der Rat kann sich auf jede Person einigen. Und wenn das Parlament im Namen eines Prinzips UvdL ablehnt, kann der Rat genausogut im Namen eines Prinzips jeden vorschlagen, bloß nie a) Weber, b) Timmermanns, c) Vestager.
Die Vorstellung, dass der “Spitzenkandidat” der stärksten Fraktion, auch wenn die bloß ein Viertel der Sitze hat, unbedingt Kommissionspräsident werden muss,istm.E. so absurd, dass sie einen massiven Widerstand seitens des rates verdient. Und wenn es ein-zwei Jahre keine Kommission gibt. Die Mitgliedstaaten werden schon ohne auskommen …
Peter Nemschak
9. Juli 2019 @ 09:02
Warum kann der Rat keinen Beharrungsbeschluss fassen? Wäre interessant zu erfahren, wie eine solche Machtprobe ausginge.
Kleopatra
11. Juli 2019 @ 07:10
Weil ein “Beharrungsbeschluss” zwar in der österreichischen Bundesverfassung, aber nicht in den EU-Verträgen vorgesehen ist. (Zur Erklärung: In Ö kann der Bundesrat ein vom Nationalrat beschlossenes Gesetz zwar ablehnen, aber der Nationalrat kann es mit einem “Beharrungsbeschluss” dennoch in Kraft treten lassen). Art 17 Absatz 7 EUV sieht vor: ” … Erhält dieser Kandidat nicht die Mehrheit, so schlägt der Europäische Rat dem Europäischen Parlament innerhalb eines Monats mit qualifizierter Mehrheit einen neuen Kandidaten vor, …”; d.h. der Rat darf nicht denselben Kandidaten vorschlagen.